Rz. 548

Die Hebegebühr erhält der Anwalt, wenn er für seinen Mandanten und in dessen Auftrag Gelder vereinnahmt und an ihn oder Abtretungsgläubiger weiterleitet. Die Prozessvollmacht ermächtigt nach § 81 ZPO den Rechtsanwalt zur Empfangnahme der vom Gegner zu erstattenden Kosten, nicht aber stets auch zur Empfangnahme der Streitsumme. Ist allerdings in der Vollmacht die Ermächtigung zur Entgegennahme der Streitsumme aufgenommen, liegt darin regelmäßig der Auftrag, der bei Erfüllung des Tatbestandes des VV 1009 die Hebegebühr entstehen lässt. Der Auftrag kann auch stillschweigend erteilt werden (Gerold/Schmidt-Mayer, RVG, 1009 VV Rn 3).

 

Rz. 549

Die Versicherer machen es sich einfach: Sie verweisen auf die aus dem vorgelegten Vollmachtsformular ersichtliche Inkassovollmacht des Anwaltes und zahlen stets an diesen. Die Anwälte haben dann den entsprechenden Verwaltungsaufwand, die Gelder an die Mandanten oder Abtretungsgläubiger weiterzuleiten.

 

Rz. 550

Sie übernehmen damit dann auch das Versendungsrisiko und haften, wenn z.B. ein Scheck beim Postversand verloren geht. Allein wegen dieses Risikos und des zu leistenden Verwaltungsaufwandes sollte diese Tätigkeit des Anwaltes nur gegen Erstattung der Hebegebühr erfolgen.

 

Rz. 551

Die meisten Anwälte verzichten überraschenderweise auf die Geltendmachung dieser Gebühren gegenüber dem Mandanten. Sie leisten – für ihn kostenlos – Dienste, obwohl die mit dieser Inkassotätigkeit verbundenen Kosten erheblich sind (jede Buchung – Eingang und Ausgang – kostet Bankgebühren, hinzu kommen die anteiligen Kosten der Buchhalterin, welche die Akte suchen, den Eingang zuordnen und gegebenenfalls hinterhertelefonieren muss usw.).

 

Rz. 552

Problematisch erscheint allerdings die Annahme eines konkludenten (oder in der Vollmacht "versteckt" enthaltenen) Auftrages, wenn der Mandant nicht darüber aufgeklärt wird, dass ebenso die Möglichkeit besteht, dass die Zahlungen vom Schuldner unmittelbar an ihn geleistet werden. Bekanntlich ist der Rechtsanwalt im Rahmen der Beratung grundsätzlich verpflichtet, den Mandanten über verschiedene mögliche Vorgehensweisen aufzuklären bzw. im Zweifel den für den Mandanten kostengünstigsten Weg einzuschlagen. Denn würden dem Mandanten die Alternativen offen gelegt und er darüber aufgeklärt, dass er im Falle der Zahlung über den Rechtsanwalt sein Geld später erhält und er dafür eine Hebegebühr zu zahlen hat, dürfte die Entscheidung des Mandanten in der Regel – von Ausnahmefällen wie z.B. der fehlenden Möglichkeit des Mandanten zur zuverlässigen Überwachung des Zahlungseingangs abgesehen – wohl klar sein (Schneider, Rechtsschutzversicherung für Anfänger, 2. Auflage, Rn 246 f.).

 

Rz. 553

Häufig lässt der Anwalt (bei nicht rechtsschutzversicherten Mandanten) ja allein deswegen bewusst Zahlungen an die Kanzlei leisten, damit er hinsichtlich seines Honorars abgesichert ist, also ggf. gem. § 9 RVG einen Kostenvorschuss einbehalten kann. Es erscheint fraglich, ob dieses allein im Interesse des Anwalts erfolgende Vorgehen tatsächlich eine Hebegebühr rechtfertigt oder bei fehlender Aufklärung des Mandanten über die zur Verfügung stehenden Zahlungswege im Zusammenhang mit der (vermeidbaren) Entstehung der Hebegebühr nicht ein entsprechender Schadensersatzanspruch des Mandanten in gleicher Höhe wegen Aufklärungspflichtverletzung in Betracht kommt, wenn sich der Anwalt tatsächlich lediglich auf einen "versteckt" in der Vollmacht enthaltenen oder konkludenten Auftrag zur kostenpflichtigen Vereinnahmung des Streitgegenstandes beruft.

 

Rz. 554

 

Tipp

Jedenfalls im Interesse eines fairen Umgangs sowie einer Transparenz für den Mandanten sollte daher der Zahlungsweg unter Offenlegung der gesetzlichen Hebegebühr klar mit dem Mandanten vereinbart werden, wenn sich der Anwalt die Berechnung der Hebegebühr ohne vermeidbaren Ärger mit der Mandantschaft vorbehalten will.

 

Rz. 555

Da eine Erstattungspflicht des Schädigers nur dann besteht, wenn die Einschaltung eines Anwaltes wegen des Inkassos zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig ist i.S.v. § 91 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 254 Abs. 2 BGB, entfällt regelmäßig eine Erstattungspflicht des Schädigers bzw. seines Versicherers. Nur wenn der Schuldner, ohne vom Gläubiger oder dessen Anwalt dazu aufgefordert zu sein, an den Anwalt zahlt, ist er verpflichtet, die durch sein Verhalten erst ausgelöste Hebegebühr zu ersetzen (OLG Frankfurt MDR 1981, 856; OLG Düsseldorf AnwBl 1980, 264; LG Hagen AnwBl 1982, 541). Zahlt der Versicherer also auf ausdrückliches Verlangen den Betrag an den Rechtsanwalt, ist die Hebegebühr von ihm nicht zu ersetzen. Zahlt er jedoch aus freien Stücken an den Rechtsanwalt, ist die Hebegebühr erstattungsfähig (AG Gronau zfs 1997, 147 m. Anm. Madert und einem Hinweis auf weitere Rechtsprechung; AG Steinfurt AGS 1996, 135). Gem. § 49b BRAO ist es sogar unzulässig, auf die Hebegebühr zu verzichten.

 

Rz. 556

 

Tipp

Klarheit schafft eine entsprechende Anweisung an den gegnerischen Versicherer, ausschließlich an den Geschädigten oder ...

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