Rz. 109
Die Bewertung bebauter Grundstücke des Grundvermögens für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer erfolgt in Abhängigkeit der Grundstücksart nach dem dann einschlägigen Bewertungsverfahren, vgl. § 182 BewG (siehe Rdn 38>). Die Typisierungen und Pauschalierungen in diesen Verfahren geben an diversen Stellen Anlass zur Prüfung der Erfolgsaussichten eines Verkehrswertgutachtens.
a) Vergleichswertverfahren
Rz. 110
Bei der Anwendung des Vergleichswertverfahrens bleiben Besonderheiten, wie privatrechtliche und öffentlich-rechtliche wertbeeinflussende Belastungen, unberücksichtigt. Öffentlich-rechtliche Lasten ergeben sich u.a. aus dem Planungs-, Bauordnungs- und Abgabenrecht sowie aus dem Denkmal-, Landschafts- und Gewässerschutzrecht. Privatrechtliche Rechte und Lasten sind dinglich gesicherte Nutzungsrechte (Nießbrauch, Wohnungsrechte), Erbbaurechte, Vorkaufsrechte sowie langfristige Miet- und Pachtverträge. Im Rahmen eines Verkehrswertgutachtens i.S.d. § 198 BewG sind diese wertbeeinflussenden rechtlichen Gegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaften zu berücksichtigen. Besteht etwa ein Nießbrauch oder ein Wohnrecht, findet dies im Rahmen der Bewertung Berücksichtigung. Gleiches gilt für Leibrenten. Zu beachten ist aber, dass insbesondere beim Nießbrauch und beim Wohnrecht die Vorschrift des § 16 BewG, mithin die Deckelung des Jahreswerts auf das 18,6-fache des nach dem BewG anzusetzenden Werts der Immobilie (siehe § 1 Rdn 33>), nicht greift.
b) Sachwertverfahren
Rz. 111
Im Zusammenhang mit dem Verkehrswertnachweis sind im Sachwertverfahren insbesondere die Alterswertminderung (siehe Rdn 77 f.>) sowie die Marktanpassung (siehe Rdn 80>) interessant. Nach § 190 Abs. 4 S. 5 BewG ist der nach Abzug der Alterswertminderung verbleibende Gebäudewert regelmäßig mit mindestens 30 % des Gebäuderegelherstellungswerts anzusetzen. Bauschäden, Instandhaltungs- und Reparaturstau bleiben auch in diesem typisierenden Bewertungsverfahren unberücksichtigt. In einschlägigen Sachwertfällen ist es mithin sinnvoll, ein Vorgehen i.S.d. § 198 BewG zu prüfen. Zudem lassen die pauschalierenden Wertzahlen der Anlage 25 zu § 191 Abs. 2 BewG einen regionalen Bezug völlig außer Acht und stellen nur auf grob gegliederte vorläufige Sachwerte ab, so dass die Prüfung eines Verkehrswertnachweises in einschlägigen Fällen angezeigt ist.
c) Ertragswertverfahren
Rz. 112
Im Ertragswertverfahren bieten mehrere wertbildende Faktoren Anknüpfungspunkte für die Einholung eines Sachverständigengutachtens. Dies kann den Rohertrag des Objektes in Fällen signifikanter Abweichung von der aktuell üblichen Miete gegenüber den nachhaltig erzielbaren Mieteinnahmen betreffen oder die Bewirtschaftungskosten, deren Ansatz nach Erfahrungssätzen erfolgt, § 187 Abs. 2 BewG. Da solche seitens der Gutachterausschüsse regelmäßig nicht zur Verfügung gestellt werden, ergeben sich die pauschalierten Bewirtschaftungskosten aus der Anlage 23 zu § 187 BewG.
Rz. 113
Für eine Verkehrswertbegutachtung i.S.d. § 198 BewG kommen ferner höhere örtliche Liegenschaftszinssätze gegenüber den Pauschalierungen des § 188 Abs. 2 BewG sowie eine von § 185 BewG abweichende Gesamt- und Restnutzungsdauer, insbesondere beim pauschalen Ansatz der Mindestnutzungsdauer von 30 % (§ 185 Abs. 3 S. 5 BewG) in Betracht.
Rz. 114
Schließlich ist im Ertragswertverfahren für jedes Grundstück mindestens der Bodenwert anzusetzen, § 184 Abs. 3 S. 2 BewG. Ist der Gebäudeertragswert bei weniger lukrativen Objekten negativ, kann es in einschlägigen Fällen zu Überbewertungen kommen.