(1) Allgemeines
Rz. 45
Das Vergleichswertverfahren (§ 183 BewG) ist für Wohnungseigentum, Teileigentum und Ein- und Zweifamilienhäuser anzuwenden, sofern der Gutachterausschuss entsprechende Vergleichspreise oder Vergleichsfaktoren ermittelt hat, § 182 Abs. 2, Abs. 4 Nr. 1 BewG. Bei der Ermittlung des Grundbesitzwerts im Vergleichswertverfahren kann ein zeitnah erzielter Kaufpreis (siehe Rdn 103 ff.>) nur dann ausnahmsweise herangezogen werden, wenn von den Gutachterausschüssen mitgeteilte Vergleichspreise fehlen. Der Vergleichswert bebauter Grundstücke umfasst stets auch den Boden- und Gebäudewert.
Bei Wohnungseigentum und Teileigentum stellt die im Rahmen der Erbfolge oder der lebzeitigen Übergabe übertragene (anteilige) Instandhaltungsrücklage eine von der Grundvermögensbewertung unabhängige und gesondert gem. § 12 BewG (siehe Rdn 16>) zu bewertende Kapitalforderung dar, sofern dies z.B. im Rahmen eines Vorbehaltsnießbrauchs nicht anderweitig geregelt ist.
(2) Vergleichspreise
Rz. 46
Die Vergleichspreise werden in erster Linie aus den von den Gutachterausschüssen mitgeteilten Vergleichspreisen ermittelt, also den tatsächlichen Kaufpreisen von Grundstücken, die hinsichtlich ihrer wertbeeinflussenden Merkmale mit dem zu bewertenden Grundstück hinreichend übereinstimmen (Vergleichsgrundstücke), § 183 Abs. 1 BewG.
Rz. 47
Besonderheiten, insbesondere die den Wert beeinflussende Belastungen privatrechtlicher und öffentlich-rechtlicher Art, bleiben dabei unberücksichtigt, § 183 Abs. 3 BewG. Rechte und Lasten öffentlich-rechtlicher Art können sich u.a. aus dem Planungs-, Bauordnungs- und Abgabenrecht sowie aus dem Denkmal-, Landschafts- und Gewässerschutzrecht ergeben. Privatrechtliche Belastungen können z.B. sein: Baulast, Abstandsflächen, Wohnrecht, Nießbrauch, Überleitungsrecht, Wege- und Fahrtrecht, Vorkaufsrecht und langfristige Miet- oder Pachtverhältnisse. Sofern solche Belastungen Berücksichtigung finden sollen, ist die entsprechende Wertminderung im Rahmen des Nachweises eines niedrigeren gemeinen Werts gem. § 198 BewG (siehe Rdn 97 ff.>) darzustellen. Bei mit einem Nießbrauch oder einem Wohnrecht belasteten zu bewertenden Objekten kommt auch ein erwerbsmindernder Abzug i.S.d. § 10 Abs. 6 S. 6 ErbStG in Betracht.
Rz. 48
Eine hinreichende Übereinstimmung der Grundstücksmerkmale der Vergleichsgrundstücke liegt nach Auffassung der Finanzverwaltung grundsätzlich vor, wenn diese insbesondere hinsichtlich ihrer Lage, Art und Maß der baulichen Nutzung, Größe, Erschließungszustand, Gebäudeart und Alter des Gebäudes mit dem zu bewertenden Grundstück weitgehend übereinstimmen. Dies ist regelmäßig in Ballungszentren für Eigentumswohnungen der Fall. Eine Vorlage von Vergleichsobjekten durch den Steuerpflichtigen selber oder durch das zuständige Finanzamt durch die Hinzuziehung geeigneter Vergleichspreise aus anderen Kaufpreissammlungen wird regelmäßig an der Anzahl scheitern.
(3) Vergleichsfaktoren
Rz. 49
Wenn keine oder nicht ausreichende Vergleichspreise für Vergleichsgrundstücke zur Verfügung stehen, können von den Gutachterausschüssen für geeignete Bezugseinheiten, insbesondere Flächeneinheiten des Gebäudes, ermittelte und mitgeteilte Vergleichsfaktoren herangezogen werden, § 183 Abs. 2 BewG. Sie sind auf den marktüblich erzielbaren jährlichen Ertrag (Ertragsfaktor) oder auf eine sonst geeignete Bezugseinheit, insbesondere auf eine Flächen- oder Raumeinheit der baulichen Anlage (Gebäudefaktor), zu beziehen, § 13 ImmoWertV.
Rz. 50
Wie bei den Vergleichspreisen (siehe Rdn 46 ff.>) bleiben auch hier Besonderheiten, insbesondere die den Wert beeinflussenden Belastungen privatrechtlicher und öffentlich-rechtlicher Art, und Abweichungen bezüglich Lage, Ausstattung und Zustand (etwa Instandhaltungsrückstau) unberücksichtigt, § 183 Abs. 3 BewG. Es kann daher gerade beim Vergleichsfaktorenverfahren sinnvoll sein, auf die Anwendung des Sachwertverfahrens (siehe Rdn 66 ff.>) hinzuwirken oder den Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts gem. § 198 BewG (siehe Rdn 97 ff.>) zu erbringen.