1. Vor Eintritt des Nacherbfalls
Rz. 137
Der Erwerb des Nacherbenanwartschaftsrechts stellt keinen steuerpflichtigen Tatbestand dar. Auch dessen Schenkung oder der gegenleistungsfreie Verzicht hierauf löst keine Schenkungsbesteuerung aus, §§ 1 Abs. 2, 10 Abs. 4 ErbStG. Die Ausschlagung des Nacherben vor dem Eintreten des Nacherbfalls gegen Abfindung löst hingegen eine Steuerpflicht aus, § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG (siehe § 3 Rdn 66>). Verstirbt der Nacherbe vor Eintritt des Nacherbfalls, fällt das Nacherbenanwartschaftsrecht nicht in seinen erbschaftsteuerpflichtigen Nachlass, § 10 Abs. 4 ErbStG.
2. Nach Eintritt des Nacherbfalls
Rz. 138
Anders als im Zivilrecht – hier wird der Nacherbe Erbe des Erblassers und nicht etwa des Vorerben (§ 2100 BGB) – sieht das Erbschaftsteuerrecht vor, dass beim Eintritt der Nacherbfolge diejenigen, auf die das Vermögen übergeht, den Erwerb als vom Vorerben stammend zu versteuern haben, § 6 Abs. 2 S. 1 ErbStG. Entsprechend greift etwa für die Bestimmung des Freibetrags und der Steuersätze grundsätzlich das Verhältnis zwischen dem Vor- und dem Nacherben. Allerdings kann sich der Nacherbe (quasi dem Zivilrecht folgend) erbschaftsteuerlich alternativ nach dem Verhältnis zum Erblasser behandeln lassen, § 6 Abs. 2 S. 2 ErbStG. Ein entsprechender Antrag ist nur sinnvoll, wenn der Nacherbe zum Erblasser in einem engeren Verwandtschaftsverhältnis steht als zum Vorerben.
Hinweis
In jedem Falle sollte geprüft werden, ob ein Antrag i.S.d. § 6 Abs. 2 S. 2 ErbStG zu einer günstigeren Besteuerung führt. Dabei sollte stets auch berücksichtigt werden, ob sich – neben dem Freibetrag und der Steuerklasse – weitere Regelungen des ErbStG auf die Besteuerung auswirken. Dies gilt insbesondere für die Regelungen des § 14 ErbStG zur Zusammenrechnung von Erwerben (siehe § 7 Rdn 1 ff.>) und des § 5 ErbStG zur erbschaftsteuerlichen Behandlung der Zugewinngemeinschaft.
Rz. 139
Oftmals wird der Nacherbe auch (jedenfalls teilweise) Erbe des Vorerben, also Erwerber von dessen Eigenvermögen, sein. Geht auch eigenes Vermögen des Vorerben auf den Nacherben über, sind beide Vermögensanfälle hinsichtlich der Steuerklasse getrennt zu behandeln, § 6 Abs. 2 S. 3 ErbStG. Das Wahlrecht des § 6 Abs. 2 S. 2 ErbStG greift für das Eigenvermögen des Vorerben nicht. In der Praxis problematisch ist in diesen Fällen – wie in entsprechenden zivilrechtlichen Konstellationen auch – die Abgrenzung zwischen dem Eigenvermögen des Vorerben und der Nacherbmasse. Die Beweislast trifft den Nacherben. Eine entsprechende Dokumentation ist also grundsätzlich sinnvoll.
Rz. 140
Stellt der Nacherbe keinen Antrag nach § 6 Abs. 2 S. 2 ErbStG, kann für das eigene Vermögen des Vorerben ein Freibetrag nur gewährt werden, soweit der Freibetrag für das der Nacherbfolge unterliegende Vermögen nicht verbraucht ist, § 6 Abs. 2 S. 4 ErbStG. Stellt der Nacherbe einen Antrag nach § 6 Abs. 2 S. 2 ErbStG, wird von der Nacherbmasse der Freibetrag im Verhältnis zum Erblasser abgezogen.
Rz. 141
Gemäß § 6 Abs. 2 S. 5 ErbStG ist die Steuer für jeden Erwerb jeweils nach dem Steuersatz zu erheben, der für den gesamten Erwerb gelten würde.