Rz. 13

Durch § 114 Abs. 2 ZPO n.F. ist der Begriff der Mutwilligkeit legal definiert. Danach ist eine Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung mutwillig, wenn ein Beteiligter, der keine Verfahrenskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder -verteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht. Wie bereits vor Schaffung dieser Legaldefinition ist zu prüfen, ob ein bemittelter Beteiligter in der Lage des Gesuchstellers bei Abwägung zwischen dem erzielbaren Vorteil und dem dafür einzugehenden Kostenrisiko seine Rechte in der Art und Weise wahrnehmen würde, wie es der um Verfahrenskostenhilfe nachsuchende Beteiligte beabsichtigt.[42] In Abgrenzung zum Zivilprozess ist bei dieser Beurteilung das Kindeswohl (§ 1697a BGB) besonders zu berücksichtigen. Selbst wenn für eine Rechtswahrnehmung ein Rechtsschutzbedürfnis besteht, kann sie allerdings mutwillig sein, wenn ein Bemittelter trotz bestehenden Rechtsschutzinteresses wegen der aus eigenen Mitteln zu bestreitenden Kosten von der Rechtsverfolgung Abstand nehmen würde.

 

Rz. 14

Mutwilligkeit fehlt grundsätzlich, wenn ein Elternteil eine Sorgerechtsregelung aufgrund Trennung beantragt, auch wenn keine konkreten Streitpunkte vorgetragen werden. Aus dem Antrag als solchem folgt regelmäßig ein Streitpotential und damit ein Rechtsschutzbedürfnis für ein gerichtliches Verfahren.[43] Es widerspräche dem Kindeswohl, eine Frage von diesem Gewicht ungeklärt zu lassen. Mutwillig ist es, einen Antrag auf Übertragung der elterlichen Sorge zu stellen, wenn das Familiengericht bereits das Ruhen der elterlichen Sorge des anderen Elternteils festgestellt hat, da dies im Wesentlichen der Übertragung auf den antragstellenden Elternteil entspricht.[44] Denn der Elternteil, dessen Sorgerecht ruht, ist zur Ausübung der Sorge nicht berechtigt, d.h. die elterliche Sorge liegt allein bei dem anderen Elternteil (§ 1678 Abs. 1 BGB) bis das Familiengericht nach § 1674 Abs. 2 BGB feststellt, dass der Grund für das Ruhen nicht mehr besteht. Unter diesen Umständen würde ein bemittelter Beteiligter so lange von einem Sorgerechtsantrag absehen, bis der andere Elternteil das Verfahren auf Feststellung des Wiederauflebens der elterlichen Sorge einleitet. Ein Antrag auf Herstellung der gemeinsamen elterlichen Sorge nach § 1626a Abs. 2 BGB ist mutwillig, wenn der Vater nicht vor Verfahrenseinleitung versucht hat, die Mutter zur Abgabe von Sorgeerklärungen zu bewegen.[45]

Ein Umgangsantrag ist selbst dann nicht mutwillig, wenn ein inhaftierter Elternteil Umgang mit seinem Kind begehrt, dessen Mutter er zuvor vorsätzlich getötet hat.[46] Ein Umgangsabänderungsantrag nach § 1696 Abs. 1 BGB kann mutwillig sein, wenn die bisherige Umgangsregelung erst kurz zuvor vereinbart bzw. erlassen und daher noch nicht gelebt worden ist.[47]

 

Rz. 15

Ob die Einleitung eines einstweiligen Anordnungsverfahrens parallel zu einem deckungsgleichen kindschaftsrechtlichen Hauptsacheverfahren mutwillig ist, hängt vom Einzelfall ab. Einerseits stehen beide Verfahren selbstständig nebeneinander und das Hauptsacheverfahren mit den weitergehenden Ermittlungsmöglichkeiten verfolgt eine andere Zielrichtung als das Eilverfahren (zum Rechtsschutzbedürfnis siehe § 7 Rdn 5).[48] Außerdem gilt zwar bereits im Hauptsacheverfahren das Beschleunigungsgebot des § 155 FamFG, dieses erfährt indes im einstweiligen Anordnungsverfahren nochmals Verstärkung, zumal der Erlass einer vorläufigen Regelung nur in letzterem möglich ist. Andererseits wird bei zeitgleicher Antragstellung und fehlender besonderer Dringlichkeit die Annahme von Mutwilligkeit nicht fern liegen.[49]

 

Rz. 16

Im Beschwerdeverfahren ist ggf. auch der Rechtsgedanke des § 97 Abs. 2 ZPO besonders zu berücksichtigen: Beruht ein Rechtsmittelerfolg oder -teilerfolg darauf, dass der Beschwerdeführer zweitinstanzlich neue Tatsachen vorgebracht oder erstmals am Verfahren mitgewirkt hat, obwohl er hierzu schon im ersten Rechtszug verpflichtet und imstande gewesen wäre, so wird sich dies nicht nur in der Kostenentscheidung niederschlagen (siehe dazu § 9 Rdn 91), sondern erweist sich die Art der Rechtswahrnehmung des Beschwerdeführers auch als mutwillig; denn ein bemittelter Beteiligter hätte in der Lage des unbemittelten Beschwerdeführers die Kosten der zweiten Instanz durch sorgfältige erstinstanzliche Verfahrensführung vermieden.[50]

 

Rz. 17

Heftig umstritten ist die Frage, ob im Rahmen der Regelung des Umgangsrechts Mutwilligkeit angenommen werden kann, wenn zuvor eine Beratung durch das Jugendamt nicht in Anspruch genommen wurde.[51] Dies kann nur von den Einzelfallumständen abhängig beantwortet werden.[52] Zwar streitet im Ausgangspunkt § 18 Abs. 3 SGB VIII, der das Jugendamt zur Beratung, Unterstützung und Hilfestellung bei der Herstellung von Umgangskontakten verpflichtet, für eine Obliegenheit zur vorherigen Beratung, da diese kostenfrei ist. Schon weil nur im gerichtlichen Verfahren eine vollstreckbare Regelung ...

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