Rz. 275
§ 50 RVG kommt zur Anwendung, wenn dem Antragsteller VKH unter Ratenzahlungen bewilligt worden ist. Muss ein Antragsteller Ratenzahlungen leisten, so leistet sie diese an die Staatskasse (Bundeskasse bei Verfahren vor Bundesgerichten (z.B. BGH), Landeskasse bei Verfahren vor Gerichten des Landes (Amts-, Land- oder Oberlandesgerichte). Maximal muss ein Antragsteller 48 Monate lang Raten zahlen, auch wenn die von der Staatskasse übernommenen Kosten noch nicht vollständig bezahlt sind.
Rz. 276
Die Staatskasse übernimmt (§ 122 Abs. 1 Nr. 1 ZPO):
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Kosten des beigeordneten RA |
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Gerichtskosten |
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Sachverständigenkosten |
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Zeugengebühren, etc. |
Rz. 277
In einigen Fällen hat der Antragsteller möglicherweise weniger als 48 Monate lang Raten bezahlt und die von der Staatskasse übernommenen Kosten sind schon voll gedeckt. Es ist nicht einzusehen, warum ein Rechtsanwalt für eine geringe VKH-Vergütung tätig werden soll, wenn der Mandant zumindest ratenweise leistungsfähig ist. Hier greift § 50 RVG – weitere Vergütung. D. h., die Staatskasse zieht weiterhin Raten ein, bis die Differenz zwischen VKH-Anwalts- und Wahlanwaltsvergütung beglichen oder aber die 48 Monate erreicht sind. Der Zeitraum erstreckt sich ggf. aber auf mehrere Instanzen.
Rz. 278
§ 50 Abs. 1 S. 1 RVG regelt:
Zitat
"Nach Deckung der in § 122 Absatz 1 Nummer 1 der Zivilprozessordnung bezeichneten Kosten und Ansprüche hat die Staatskasse über die auf sie übergegangenen Ansprüche des Rechtsanwalts hinaus weitere Beträge bis zur Höhe der Regelvergütung einzuziehen, wenn dies nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung und nach den Bestimmungen, die das Gericht getroffen hat, zulässig ist."
Rz. 279
Der Gesetzgeber begründet die Änderung zum 1.8.2013 wie folgt:
Zitat
"Der Vorschlag dient der redaktionellen Klarstellung, dass die Staatskasse nach Befriedigung ihrer Ansprüche nicht nur die Gebührendifferenz, sondern auch zusätzliche Auslagen wie z.B. eine höhere Auslagenpauschale nach Nummer 7002 oder Auslagen, die nicht aus der Staatskasse zu erstatten sind, einzuziehen hat."
Rz. 280
§ 50 Abs. 1 RVG stellt damit klar, dass nicht nur die Differenzgebühren von der Staatskasse einzuziehen sind, sondern darüber hinaus auch Auslagen, die dem Anwalt entstanden sind und die von der Staatskasse nicht übernommen werden. Richtig ist zwar, dass der Anwalt den bedürftigen Auftraggeber unmittelbar in Anspruch nehmen kann, soweit die Beiordnung nicht greift, die Möglichkeit, dass die Staatskasse nun aber solche Vergütungsbeträge ebenfalls einziehen muss, sofern der Rechtsanwalt diese als weitere Vergütung i.S.d. § 50 RVG geltend macht, ist für den Anwalt sehr komfortabel, da er sich selbst nicht mit der Beitreibung befassen muss. Die Rechtsprechung einiger Gerichte, dass die Abrechnungs-Sperre des § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO auch hinsichtlich der Vergütung greife, auf die sich die Beiordnung nicht erstreckt, ist ohnehin abzulehnen.
Rz. 281
Der Rechtsanwalt hat daher nach meiner Auffassung nach neuem Recht die Wahl:
Variante 1:
Er kann Vergütungsansprüche (somit auch Reisekosten), die von der Staatskasse nicht getragen werden, weil sie nicht zum Umfang der Beiordnung gehören, unmittelbar mit seinem Mandanten abrechnen, da die Sperre des § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO für derartige Vergütungsansprüche nicht greift.
Variante 2:
Der Rechtsanwalt kann den Einzug dieser Differenzvergütung (z.B. Reisekosten) nun auf Grundlage der Neufassung des § 50 Abs. 1 S. 1 RVG durch die Staatskasse beitreiben lassen.
Rz. 282
Wählt der Rechtsanwalt Variante 1, so verfügt er schneller über das Geld, wenn der Auftraggeber die Kostenrechnung zügig ausgleicht. Wählt der Rechtsanwalt Variante 2, spart er sich allerdings die eigene Einziehung beim Auftraggeber.
Rz. 283
Schneider/Thiel befürchten, dass die Neufassung des § 50 RVG als Argument dafür verwendet werden könnte, der Anwalt könne Vergütungsansprüche/Auslagen außerhalb des Umfangs seiner Beiordnung nicht unmittelbar gegenüber seinem Auftraggeber geltend machen. Eine derartige Auslegung wird jedoch für falsch gehalten. Allerdings wird den Anwalt wohl eine Hinweispflicht gegenüber seinem Auftraggeber treffen, dass die Staatskasse z.B. Reisekosten bei eingeschränkter Beiordnung nicht übernimmt.
Rz. 284
Beispiel
In einem Verfahren vor dem Amtsgericht München wird der beigeordnete Anwalt auftragsgemäß tätig. Der Anwalt hat seinen Kanzleisitz in Starnberg. Er wird eingeschränkt zu den Bedingungen eines im Gerichtsbezirk München niedergelassenen Anwalts beigeordnet. Der Gegenstandswert hat 7.000,00 EUR betragen. Das Gericht entscheidet nach mündlicher Verhandlung durch Beschluss.
Berechnung der aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütung (§ 49 RVG):
1,3 Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV RVG |
397,80 EUR |
1,2 Terminsgebühr Nr. 3104 VV RVG |
367,20 EUR |
Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG |
20,00 EUR |
Zwischensumme |
785,00 EUR |
19 % Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG |
149,15 EUR |
Summe |
934,15 EUR |
Berechnung der Gebühren des Wahlanwalts (§ 13 RVG):