Rz. 195
§ 124 Abs. 1 ZPO regelt die Möglichkeiten der Aufhebung einer bewilligten Verfahrenskostenhilfe:
Zitat
"(1) Das Gericht soll die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben, wenn"
1. die Partei durch unrichtige Darstellung des Streitverhältnisses die für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe maßgebenden Voraussetzungen vorgetäuscht hat;
2. die Partei absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtige Angaben über die persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht oder eine Erklärung nach § 120a Absatz 1 Satz 3 nicht oder ungenügend abgegeben hat;
3.die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe nicht vorgelegen haben; in diesem Fall ist die Aufhebung ausgeschlossen, wenn seit der rechtskräftigen Entscheidung oder sonstigen Beendigung des Verfahrens vier Jahre vergangen sind;
4. die Partei entgegen § 120a Absatz 2 Satz 1 bis 3 dem Gericht wesentliche Verbesserungen ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse oder Änderungen ihrer Anschrift absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtig oder nicht unverzüglich mitgeteilt hat;
5. die Partei länger als drei Monate mit der Zahlung einer Monatsrate oder mit der Zahlung eines sonstigen Betrages im Rückstand ist.“
Rz. 196
Auch wenn sich die Unwahrheit des Parteivortrags erst nach Durchführung der Beweisaufnahme ergibt, steht dies der Entziehung der Verfahrenskostenhilfe gem. § 124 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nicht entgegen.
Rz. 197
Zitat
"Die Aufhebung der Prozesskostenhilfebewilligung wegen absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit gemachter falscher Angaben nach § 124 Nr. 2 Alt. 1 ZPO setzt nicht voraus, dass die falschen Angaben des Antragstellers zu einer objektiv unrichtigen Bewilligung geführt haben, diese mithin auf den Falschangaben beruht."
Rz. 198
Das Tatbestandsmerkmal "soll" in § 124 Abs. 1 Nr. 2 ZPO ist dahingehend zu verstehen, dass die Aufhebung in den genannten Fällen die Regel ist, dem Gericht jedoch ein Spielraum für Entscheidungen in Ausnahmefälle bleiben. Ein Ausnahmetatbestand kann dann vorliegen, wenn zwar gegen den Formularzwang für die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse verstoßen wird, die fortbestehende Bedürftigkeit des Antragstellers aber offensichtlich oder nachgewiesen ist.
Rz. 199
Zitat
"1. Eine unrichtige Darstellung des Streitverhältnisses i.S.v. § 124 Abs. 1 Nr. 1 ZPO liegt vor, wenn der Beteiligte vorsätzlich falsche Tatsachen behauptet oder wahre Tatsachen verschwiegen hat und das Gericht infolgedessen die Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung oder -verteidigung bejaht oder deren Mutwilligkeit nicht erkannt hat. Gleiches gilt, sofern der Beteiligte seinen Vortrag nicht berichtigt, obwohl dies geboten war."
2. Die Voraussetzungen des § 124 Abs. 1 Nr. 1 ZPO liegen vor, sofern der Antragsteller im Unterhaltsverfahren eine Verbesserung seiner Erwerbseinkünfte aufgrund der Ausdehnung seiner Erwerbstätigkeit vor der Entscheidung über den Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe nicht mitteilt.
3. Das Verschweigen höherer Erwerbseinkünfte kann zudem die Aufhebung der bewilligten Verfahrenskostenhilfe nach § 124 Abs. 1 Nr. 2, Hs. 2 ZPO rechtfertigen.“ (Leitsätze des Gerichts)
Rz. 200
Die Regelung des § 124 Abs. 1 Nr. 2 ZPO, wonach das Gericht die Bewilligung der Prozesskosten- bzw. Verfahrenskostenhilfe aufheben soll, wenn der Antragsteller absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtige Angaben über die persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht hat, ist im Bewilligungsverfahren der Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe nicht analog anzuwenden. Nach Ansicht des BGH würde die Anwendung des Rechtsgedankens des § 124 Abs. 1 Nr. 2 ZPO bereits im Bewilligungsverfahren, d.h. Versagung der Verfahrenskostenhilfe wegen falscher Angaben schon hier, verfassungsrechtlichen Bedenken begegnen, weil der Zugang zum Rechtsschutz insgesamt versagt bliebe, da das beabsichtigte Verfahren – wie hier das Scheidungsverfahren – überhaupt nicht geführt werden kann. Sofern erst im Beschwerdeverfahren gegen eine Aufhebungsentscheidung nach § 124 Abs. 1 Nr. 2 ZPO neues Vorbringen erfolgt, ist dieses gleichwohl zu berücksichtigen.
Rz. 201
Die Frage wie eng § 120a ZPO auszulegen ist, wenn der Antragsteller die anlassbezogenen Mitteilungspflichten verletzt, wird von der Rechtsprechung kontrovers beantwortet.
Zum Teil vertreten die Gerichte die Auffassung, dass sich eine Partei auch im Rahmen des Prozesskostenhilfeüberprüfungsverfahrens das Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen muss. Die Mitteilung über einen Umzug hat unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern im Sinne der §§ 120a Abs. 2 S. 1, 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO zu erfolgen. Nach der Legaldefinition des § 121 Abs. 1 BGB heißt "unverzüglich" damit zwar nicht "sofort", jedoch innerhalb einer nach den Umständen des Einzelfalls zu bemessenen Prüfungs- und Überlegungsfrist.
Rz. 202
Teilt eine Partei daher innerhalb weniger Tage ihren Umzug ihrem Prozessbevollmächtigten mit, ist ...