Rz. 156

Die Struktur der Härteregelung hat sich bei weitgehend gleich gebliebenem Wortlaut durch die Änderung des Systems des Versorgungsausgleichs erheblich verändert. Wie bislang gestattet die Härteklausel die Begrenzung durch den teilweisen oder vollständigen Ausschluss des Versorgungsausgleichs (vgl. § 1587c BGB a.F. einerseits und § 27 VersAusglG andererseits). Die scheinbar identische Rechtsfolge wird aber durch den Bezugsgegenstand dieses Ausschlusses völlig verändert.

 

Rz. 157

Im früheren Recht bezog sich die Härteklausel auf den Versorgungsausgleich nach der Saldierung aller Anrechte. Ausgeschlossen wurde damit der Versorgungsausgleich insgesamt bzw. bezogen auf alle vorhandenen Anrechte insgesamt (bei teilweisem Ausschluss). Sanktionierbar war immer nur ein Verhalten des Ausgleichsberechtigten, niemals aber sein solches des Ausgleichspflichtigen. § 1587c BGB a.F. konnte immer nur zur Herabsetzung, niemals aber zur Erhöhung des Ausgleichs führen.

 

Rz. 158

 

Beispiel

F und ihr Mann M waren sechs Jahre lang verheiratet. In der Ehezeit hat M in der gesetzlichen Rentenversicherung Anwartschaften auf eine Rente der gesetzlichen Rentenversicherung i.H.v. 250 EUR sowie auf eine betriebliche Altersversorgung i.H.v. (in das System der gesetzlichen Rentenversicherung umgerechnet) 135 EUR. F hat Anrechte aus der Beamtenversorgung des Landes NRW i.H.v. 155 EUR und eine Lebensversicherung i.H.v. (in das System der gesetzlichen Rentenversicherung umgerechnet) 120 EUR. Im Scheidungsverfahren zeigt M F zu Unrecht bei ihrem Dienstherrn wegen Unterschlagungen an. Nach dem bisherigen Recht hätte die Härteklausel des § 1587c BGB a.F. erst nach der Saldierung der Anrechte Anwendung gefunden. Da im vorliegenden Beispiel aber nicht F, sondern M gesamtausgleichspflichtig gewesen wäre (i.H.v. 110 EUR : 2 = 55 EUR; denn es standen 250 EUR + 135 EUR = 385 EUR gegen 155 EUR + 120 EUR = 275 EUR), war die Härteregelung gar nicht anwendbar, denn sie erlaubte nur die Herabsetzung eines Ausgleichs. Hier waren die Härtegründe aber nicht aufseiten von F verwirklicht, sondern aufseiten des ausgleichspflichtigen M. Zu einer Erhöhung des Ausgleichs zugunsten von F führt das Vorliegen von Härtegründen bei M nicht.

 

Rz. 159

Die neue Härteregelung findet dagegen im einzelrechtsbezogenen Hin-und-Her-Ausgleich Anwendung. Deswegen handelt es sich um ein viel flexibleres Instrument als nach dem früheren Recht: Adressaten der Härteregelung können jetzt beide Ehegatten sein, da sie beide ausgleichspflichtig sind, wenn sie beide Anrechte erworben haben. Die Härteregelung ist also nun beiderseits anwendbar und ermöglicht deswegen u.U. die Kürzung oder den Ausschluss des Versorgungsausgleichs auf beiden Seiten (wenn auf beiden Seiten Härtegründe vorliegen).

 

Rz. 160

 

Beispiel

M hat in der Ehe Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung i.H.v. 300 EUR erworben sowie solche der betrieblichen Altersversorgung i.H.v. 30 EUR. (Im vorliegenden Beispiel werden die gegenübergestellten Werte der Anschaulichkeit halber in Rentenbeträgen ausgedrückt.[95] Seine Frau F hat aus der Beamtenversorgung des Landes NRW Anrechte i.H.v. 450 EUR und aus einer privaten Lebensversicherung ein Anrecht auf eine Rente von 45 EUR. M bewirkt den Wegfall des Anrechts in der betrieblichen Altersversorgung dadurch, dass er eine fristlose Kündigung seitens des Arbeitgebers provoziert. F löst vor dem Ehezeit­ende ihre Lebensversicherung auf.

In diesem Fall trifft beide Eheleute ein Fehlverhalten, das es gestattet, den Wertausgleich zugunsten des jeweils anderen Ehegatten insoweit auszuschließen, wie das Fehlverhalten Anrechte vermindert hat. Das bedeutet: Der zugunsten von F durchzuführende Ausgleich wird i.H.v. 45 EUR gekürzt, der zugunsten von M durchzuführende Ausgleich wird so gekürzt, dass 30 EUR abgezogen werden.

 

Rz. 161

Außerdem bedeutet die einzelrechtsbezogene Anwendung der Härteregelung, dass auch viel mehr Möglichkeiten bestehen, beim Ausgleich jedes einzelnen Anrechts in Bezug auf das Vorliegen von Härtegründen zu differenzieren. V.a. können auch die Art der Finanzierung, der Grund der Begründung des Anrechts und Ähnliches mit in die Betrachtung einbezogen werden.

 

Rz. 162

 

Beispiel

M hat in der Ehe Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung i.H.v. 300 EUR erworben sowie solche der betrieblichen Altersversorgung i.H.v. 30 EUR.[96] Seine Frau F hat aus der Beamtenversorgung des Landes NRW Anrechte i.H.v. 450 EUR. Außerdem hat sie mit einer Entschädigungszahlung für eine schwere, bei einem Autounfall erlittene Körperverletzung ein Anrecht in einer privaten Lebensversicherung auf eine monatliche Rente von 45 EUR begründet, die ab dem 65. Geburtstag gezahlt werden soll.

Nach dem reformierten Recht ist der Ausgleich des aus den Schadensersatzmitteln erworbenen Anrechts grob unbillig. Das kann berücksichtigt werden, weil nun jedes Recht einzeln betrachtet wird. Insoweit ist in Bezug auf das mit der Schadensersatzsumme erworbene Anrecht von F zu berücksichtigen, dass es sich zwar um ...

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