Rz. 1

Der Wertausgleich bei der Scheidung (§§ 9 bis 19 VersAusglG) stellt den ggü. dem Ausgleich nach der Scheidung (§§ 20 ff. VersAusglG) vorrangigen Ausgleich dar. Er entspricht (in seiner Funktion, nicht seiner Durchführung) dem öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich (§§ 1587a ff. BGB a.F.) des früheren Rechts. Demgegenüber hat der Ausgleich nach der Scheidung (§§ 20 ff. Vers­AusglG, entsprechend dem früheren schuldrechtlichen Versorgungsausgleich) nur eine Lückenschließungsfunktion. Er kommt nur in Betracht, soweit ein Ausgleich bei der Scheidung nicht erfolgt ist und auch nicht mehr erfolgen kann.

 

Rz. 2

Beim Wertausgleich bei der Scheidung handelt es sich um die Regelform des Versorgungsausgleichs, weil dieser Ausgleich grds. in jedem Fall erfolgen muss, in dem eine Ehe geschieden wird. Um das sicherzustellen ist verfahrensrechtlich der Zwangsverbund mit der Scheidungssache angeordnet (§ 137 FamFG). Ausnahmen bestehen vom System her nur dann, wenn die Scheidung im Ausland durchgeführt wird oder nicht deutschem Recht unterliegt (siehe dazu § 3 Rdn 30 ff.), wenn die Eheleute sich bereits im Vorfeld über den Versorgungsausgleich geeinigt und ihn so geregelt haben (§§ 6 bis 8 VersAusglG, siehe dazu § 7 Rdn 1 ff.), oder wenn die Anrechte noch nicht ausgleichsreif sind (§ 19 VersAusglG, siehe dazu Rdn 87 ff.), sie also in dem Zeitpunkt, in dem über die Ehescheidung zu entscheiden ist, noch gar nicht ausgeglichen werden können.

 

Rz. 3

Darüber hinaus hat der Gesetzgeber den Wertausgleich bei der Scheidung i.d.R. ausgeschlossen, wenn die Ehe nur von kurzer Dauer war (§ 3 Abs. 3 VersAusglG, siehe dazu Rdn 13 ff.) oder wenn nur geringwertige Anrechte auszugleichen sind (vgl. § 18 VersAusglG, siehe dazu Rdn 37 ff.). Schließlich kommt ein Wertausgleich bei der Scheidung nicht in Betracht, wenn er aus Härtegründen grob unbillig ist (§ 27 VersAusglG, siehe dazu Rdn 151 ff.). Der Gesetzgeber hat hier die gleiche Schranke aufgestellt wie im Unterhaltsrecht (§ 1579 BGB) und im Güterrecht (§ 1381 BGB) auch: Es gibt eine Schwelle, jenseits derer eine Teilhabe des anderen Ehegatten an den erworbenen Anrechten unzumutbar wird.

 

Rz. 4

Der Wertausgleich bei der Scheidung wurde ggü. dem früheren System komplett umgestellt. Eine Gesamtsaldierung aller in der Ehezeit erworbenen Anteile, mit der Folge, dass es nur einen Ausgleichspflichtigen und einen Ausgleichsberechtigten gibt, findet nicht mehr statt. Vielmehr erfolgt jetzt ein einzelrechtsbezogener Ausgleich, sodass jedes in der Ehezeit erworbene Anrecht für sich geteilt wird. Die Stellung der Eheleute als Ausgleichspflichtige und Ausgleichsberechtigte bezieht sich jetzt also auf jedes einzelne Anrecht.

 

Rz. 5

Das neue Recht kennt zwei Ausgleichsformen: Vorrangig ist der sog. interne Wertausgleich (§§ 9 bis 13 VersAusglG). Bei dieser Form des Ausgleichs werden die vorhandenen Anrechte der Eheleute prinzipiell real geteilt (siehe dazu Rdn 235 ff.). Als Sonderform des Ausgleichs bei der Scheidung gibt es den externen Ausgleich (§§ 14 bis 17 VersAusglG). Bei dieser Form des Ausgleichs wird ein in einem Versorgungssystem bestehendes Anrecht dadurch ausgeglichen, dass in einem anderen System Versorgungsanrechte begründet werden (siehe dazu Rdn 335 ff.). Der Ausgleichswert wird also in eine andere Versorgung eingezahlt. Es findet im Regelfall ein Kapitaltransfer von einer Versorgung zu einer anderen statt. Diese Art des Ausgleichs ist nur dann zugelassen, wenn sie vom Gesetz ausdrücklich gestattet ist oder wenn die Beteiligten sie (mit Zustimmung des betroffenen Versorgungsträgers) vereinbart haben (§ 9 Abs. 3 VersAusglG).

 

Rz. 6

Anrechte, die im Ausgleich bei der Scheidung weder durch interne Teilung noch durch externen Ausgleich ausgeglichen werden können, müssen im Ausgleich nach der Scheidung (§§ 20 ff. VersAusglG) ausgeglichen werden (ausführlich siehe dazu § 9 Rdn 1 ff.).

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge