Rz. 151

Der Versorgungsausgleich darf schließlich nicht aus Härtegründen ausgeschlossen sein, weil er grob unbillig ist.

1. Systematik

 

Rz. 152

Die Härteregelung findet sich nun in § 27 VersAusglG. Die Norm enthält – entsprechend der in § 1579 BGB für das Unterhaltsrecht und der in § 1381 BGB für den Zugewinnausgleich getroffenen Regelung – eine negative Härteklausel, aufgrund derer der Versorgungsausgleich herabgesetzt oder ausgeschlossen werden kann, wenn die Umstände des Einzelfalls das aus Billigkeitsgründen rechtfertigen.

 

Rz. 153

Die Vorschrift ist die Nachfolgeregelung zu § 1587c BGB a.F., 1587h BGB a.F. und § 3a Abs. 6 VAHRG a.F. Sie gilt für alle Fälle des Versorgungsausgleichs, also nicht nur für den Versorgungsausgleich bei der Scheidung, sondern auch für den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich,[88] für Abänderungs- und für Anpassungsverfahren (§ 226 Abs. 3 FamFG) und auch für Abänderungsverfahren, welche nach dem früheren Recht errichtete Titel betreffen (§ 51 VersAusglG).[89] Auch die Erben eines der Ehegatten können sich in den Fällen des § 31 VersAusglG darauf stützen,[90] nicht dagegen die Versorgungsträger, weil ihre Interessen durch das Verhalten der Eheleute untereinander nicht betroffen sein können.[91]

 

Rz. 154

Der Text der Regelung wurde in Anlehnung an den Wortlaut der früheren Normen gestrafft, indem aus der nach Fallgruppen differenzierenden Härteregelung eine Generalklausel gemacht wurde. Die drei bisherigen Tatbestände (beiderseitiger Vermögenserwerb während der Ehe, illoyale Verhaltensweisen, Unterhaltspflichtverletzungen) sind entfallen. Dadurch sollte sich aber am Regelungsgehalt der Härteklausel nichts ändern.[92] Es kann daher weiter auf die früher entwickelten Fallgruppen der Härtefälle zurückgegriffen werden.

 

Rz. 155

 

Praxistipp

Über die Anwendung des § 27 VersAusglG muss von Amts wegen entschieden werden. Das Gericht braucht aber trotz des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 26 FamFG) ohne konkrete Anhaltspunkte nicht nach Umständen zu forschen, die Anlass für eine Korrektur geben könnten.[93] Die Beteiligten müssen vielmehr insofern selbst Umstände vortragen, die zu einer Korrektur des Versorgungsausgleichs über § 27 VersAusglG führen könnten.[94] Geschieht das, muss das Gericht dann diesen Anhaltspunkten von Amts wegen nachgehen und nachforschen, ob sie wirklich vorliegen und den Ausschluss oder die Herabsetzung des Ausgleichs rechtfertigen.

[88] OLG Nürnberg FamRZ 2016, 550. Das ergibt sich jetzt schon aus der systematischen Stellung der Regelung als vierter Abschnitt des 2. Kapitels des ersten Teils; denn im 2. Kap. sind alle Arten des Wertausgleichs geregelt.
[89] BGH FamRZ 2016, 697.
[90] HK-VersAusglG/Götsche, § 27 VersAusglG Rn 4.
[91] HK-FamR/Hauß, § 27 VersAusglG Rn 13.
[92] BT-Drucks 16/10144, S. 68.
[93] Rahm/Künkel/Wagner, Versorgungsausgleichssachen, Rn 318.
[94] So schon die Rspr. zum früheren Recht; vgl. BGH FamRZ 1988, 709 f.; BGH FamRZ 1989, 1062; BGH FamRZ 1993, 682 f.

2. Struktur und Bedeutung der Härteregelung

 

Rz. 156

Die Struktur der Härteregelung hat sich bei weitgehend gleich gebliebenem Wortlaut durch die Änderung des Systems des Versorgungsausgleichs erheblich verändert. Wie bislang gestattet die Härteklausel die Begrenzung durch den teilweisen oder vollständigen Ausschluss des Versorgungsausgleichs (vgl. § 1587c BGB a.F. einerseits und § 27 VersAusglG andererseits). Die scheinbar identische Rechtsfolge wird aber durch den Bezugsgegenstand dieses Ausschlusses völlig verändert.

 

Rz. 157

Im früheren Recht bezog sich die Härteklausel auf den Versorgungsausgleich nach der Saldierung aller Anrechte. Ausgeschlossen wurde damit der Versorgungsausgleich insgesamt bzw. bezogen auf alle vorhandenen Anrechte insgesamt (bei teilweisem Ausschluss). Sanktionierbar war immer nur ein Verhalten des Ausgleichsberechtigten, niemals aber sein solches des Ausgleichspflichtigen. § 1587c BGB a.F. konnte immer nur zur Herabsetzung, niemals aber zur Erhöhung des Ausgleichs führen.

 

Rz. 158

 

Beispiel

F und ihr Mann M waren sechs Jahre lang verheiratet. In der Ehezeit hat M in der gesetzlichen Rentenversicherung Anwartschaften auf eine Rente der gesetzlichen Rentenversicherung i.H.v. 250 EUR sowie auf eine betriebliche Altersversorgung i.H.v. (in das System der gesetzlichen Rentenversicherung umgerechnet) 135 EUR. F hat Anrechte aus der Beamtenversorgung des Landes NRW i.H.v. 155 EUR und eine Lebensversicherung i.H.v. (in das System der gesetzlichen Rentenversicherung umgerechnet) 120 EUR. Im Scheidungsverfahren zeigt M F zu Unrecht bei ihrem Dienstherrn wegen Unterschlagungen an. Nach dem bisherigen Recht hätte die Härteklausel des § 1587c BGB a.F. erst nach der Saldierung der Anrechte Anwendung gefunden. Da im vorliegenden Beispiel aber nicht F, sondern M gesamtausgleichspflichtig gewesen wäre (i.H.v. 110 EUR : 2 = 55 EUR; denn es standen 250 EUR + 135 EUR = 385 EUR gegen 155 EUR + 120 EUR = 275 EUR), war die Härteregelung gar nicht anwendbar, denn sie erlaubte nur die Herabsetzung eines Ausgleichs. Hier waren die Härtegründe aber nicht aufseiten von F...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge