Dipl.-Kfm. Michael Scherer
Rz. 59
In einem Urteil oder in einem Prozessvergleich kann ausgesprochen sein, dass der Schuldner bestimmte Unterlassungs- oder Duldungspflichten hat.
Beispiele:
Unterlassung unlauteren Wettbewerbs, Unterlassung der Verletzung eines Urheberrechts, Duldung der Benutzung eines Wegerechtes durch den Berechtigten.
Ein solcher Titel wird in der Weise vollstreckt, dass auf Antrag des Gläubigers das Prozessgericht des ersten Rechtszuges für den Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft oder gleich von vornherein Ordnungshaft bis zu 6 Monaten durch Beschluss festsetzt (§ 890 Abs. 1 ZPO). Dieser Festsetzung muss nach § 890 Abs. 2 ZPO eine entsprechende Androhung vorausgehen, die aber im Regelfall bereits im Urteil enthalten ist. Der Ausdruck "verurteilen" in § 890 Abs. 1 ist übrigens nicht wörtlich zu nehmen, da die Entscheidung durch Beschluss ergeht, was ohne mündliche Verhandlung geschehen kann (§§ 891 S. 1, 128 Abs. 4 ZPO).
Falls die Androhung im Urteil noch nicht enthalten ist muss sie nachgeholt werden. Sie dient dann der Vorbereitung der Zwangsvollstreckung. Wird erst bei der Zwangsvollstreckung wegen Unterlassung oder Duldung der Antrag auf Androhung eines Ordnungsgeldes oder der Ordnungshaft gestellt (§ 890 Abs. 2 ZPO), so ist dies nach § 19 Abs. 2 Ziff. 5 RVG keine besondere Angelegenheit, sodass der RA hierfür keine gesonderten Gebühren erhält. Die Androhung ist dann bereits der Beginn der Handlungen der Vollstreckungsmaßnahme nach § 18 Abs. 1 Ziff. 14 RVG. Bei Vollstreckung aus einem Vergleich muss der Antrag auf Androhung immer zu Beginn der Zwangsvollstreckung gestellt werden.
Hinweis:
Falls der Antrag auf Androhung bereits im Prozess gestellt wurde, dann gehört der Antrag noch zum Rechtszug des Prozesses und ist mit der Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG für den Prozessbevollmächtigen abgegolten.
Rz. 60
Dagegen ist gemäß § 18 Abs. 1 Ziff. 14 RVG jeder einzelne Antrag auf Verurteilung zu einem Ordnungsgeld oder zur Ordnungshaft eine besondere Angelegenheit, sodass hierfür jeweils besondere Gebühren nach den Nrn. 3309, 3310 VV RVG entstehen. Dies ist die eigentliche Zwangsvollstreckung. In diesen Verfahren wird meist mündlich verhandelt, sodass dann auch eine Terminsgebühr entsteht.
Der Gegenstandswert richtet sich nicht nach der Höhe des Ordnungsgeldes, sondern nach dem Interesse des Gläubigers an der zu erzwingenden Unterlassung oder Duldung (§ 25 Abs. 1 Ziff. 3 RVG). Meistens wird man hier den Wert des Klageanspruchs nehmen können.
Die Ordnungsmittel werden in diesem Falle von Amts wegen vollstreckt, also ohne Mitwirkung eines RA, dem folglich für deren Vollstreckung auch keine Gebühren erwachsen können. Beigetriebenes Ordnungsgeld fließt der Staatskasse zu.
Beispiele:
Fall 1: Da die Androhung noch nicht im Urteil enthalten ist, stellt RA Arm Antrag auf Androhung eines Ordnungsgeldes, woraufhin der Schuldner den Wettbewerbsverstoß unterlässt. RA Arm hat nach der allgemeinen Vorschrift des § 18 Abs. 1 Ziff. 1 RVG Anspruch auf Gebühren der Nrn. 3309, 3310 VV RVG.
Fall 2: RA Bein stellt Antrag auf Androhung eines Ordnungsgeldes und, nachdem der Schuldner den Wettbewerbsverstoß weiterhin nicht unterlässt, Antrag auf "Verurteilung" zu einem Ordnungsgeld. Gemäß § 19 Abs. 2 Ziff. 5 RVG hat RA Bein für beide Anträge zusammen Anspruch auf Gebühren nach § 18 Abs. 1 Ziff. 14 RVG, Nrn. 3309, 3310 VV RVG.
Achtung: § 18 Abs. 1 Ziff. 14 RVG betrifft nur die "Verurteilung", nicht die Androhung! § 19 Abs. 2 Ziff. 5 RVG besagt, dass die Androhung zur "Verurteilung" gehört.
Nach Zahlung des Ordnungsgeldes handelt der Schuldner erneut der Verpflichtung zur Unterlassung zuwider. RA Bein stellt erneut einen Antrag auf "Verurteilung" zu einem Ordnungsgeld. RA Bein hat erneut Anspruch auf Gebühren nach § 18 Abs. 1 Ziff. 14 RVG, Nrn. 3309, 3310 VV RVG, denn "jede Verurteilung" ist eine besondere Angelegenheit.