Prof. Dr. Martin Henssler, Christiane Pickenhahn
Rz. 4
Sowohl für die Telearbeit als auch für die Mobile Arbeit gelten nicht alle Arbeitsschutzvorschriften, die bei einer Arbeit im Betrieb zur Anwendung kommen. Die Arbeitsstättenverordnung findet auf die Telearbeit nur eingeschränkte, bei Mobiler Arbeit sogar überhaupt keine Anwendung. An der letztgenannten Besonderheit ändern die Novelle der Arbeitsstättenverordnung sowie die Aufnahme der Bildschirmarbeitsverordnung in diese zunächst nichts (BR-Drucks 506/16, 36; Verordnung zur Änderung von Arbeitsschutzverordnungen v. 30.11.2016, BGBl I, 2681; kritisch und Zweifel an der Europarechtskonformität des engen Anwendungsbereichs Wiebauer, NZA 2017, 220, 222). Für die Einrichtung eines Telearbeitsplatzes gem. § 2 Abs. 7 ArbStättV muss der Arbeitgeber, anders als bei betrieblichen Arbeitsplätzen, nur für die erstmalige Einrichtung eine Gefährdungsbeurteilung erstellen.
Demgegenüber gilt das ArbSchG, insbesondere die Beurteilung der Arbeitsbedingungen nach § 5 ArbSchG, auch bei der Telearbeit und der Mobilen Arbeit. Der Arbeitgeber muss im Einzelfall erforderliche organisatorische Schutzmaßnahmen ergreifen und seinem Arbeitnehmer klare Verhaltensanweisungen (§ 12 ArbSchG) geben (Oberthür, NZA 2013, 246). Hierunter fallen kann insbesondere die Bereitstellung ergonomischer "gesundheitsschützender" Arbeitsgeräte, ggfs. die Bereitstellung weiterer Hilfsausstattung (zusätzlicher Standbildschirm, externe Tastatur, Begrenzung von Gefahren der Mehrarbeit, Entgrenzung der Arbeit sowie ständiger Erreichbarkeit und Pflicht zum Einschreiten bei sichtbaren Arbeitsschutzverstößen). Andererseits trifft den Arbeitnehmer außerhalb des Herrschaftsbereichs seines Arbeitgebers eine erhöhte Verantwortung, selbst Gesundheits- und Schutzvorschriften einzuhalten (Oberthür, NZA 2013, 246, 248).
Rz. 5
Im Home Office und bei sonstiger mobiler Arbeit bestand bereits vor der jüngsten Anpassung des § 8 SGB VII grundsätzlich der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung nach dem SGB VII. Versicherungslücken in der gesetzlichen Unfallversicherung bestanden bei häuslicher Arbeit aber bisher bei Wegen im eigenen Haushalt aus privaten Gründen (zum Holen eines Getränks, zur Nahrungsaufnahme, zum Toilettengang) sowie bei Wegen vom häuslichen Arbeitsplatz zur Kinderbetreuungsstätte. Diese Wege hat das BSG, anders als bei entsprechenden Wegen in bzw. von der Betriebsstätte, als nicht vom Versicherungsschutz erfasst angesehen (BSG v. 30.1.2020 – B 2 U 19/18, BeckRS 2020, 1741; BSG v. 27.11.2018 – B 2 U 28/17 R, BeckRS 2018, 40346).
Um Versicherungslücken zu schließen, wurde daher § 8 SGB VII um die Arbeit von Zuhause bzw. mobile Arbeit ergänzt. Versicherungsschutz besteht nunmehr im gleichen Umfang wie bei Ausübung der Tätigkeit auf der Unternehmensstätte, wenn die Tätigkeit im Haushalt der Versicherten oder an einem anderen Ort ausgeübt wird. Die Regelung ist zum 17.6.2021 in Kraft getreten. Vom Unfallversicherungsschutz im Home Office erfasst sind nunmehr auch Wege vom häuslichen Arbeitsplatz zur Kinderbetreuungsstätte der im Haushalt lebenden Kinder (§ 8 Abs. 2 Nr. 2a SGB VII). Ebenfalls versichert ist daher, wie vom BSG bestätigt, auch der morgendliche erstmalige Weg vom Bett zum Arbeitsplatz im Home Office (BSG v. 8.12.2021 – B 2 U 4/21 R).
Auf die Telearbeit und Mobile Arbeit ebenfalls Anwendung finden die arbeitsmedizinische Vorsorgeverordnung (ArbMedVV) sowie das ArbZG. Auch die Grundsätze der beschränkten Arbeitnehmerhaftung finden unabhängig vom Arbeitsort Anwendung. Allerdings kommt bei der Arbeit im "Home Office" insbesondere auch eine Verursachung von Schäden durch Familienangehörige (Ehepartner/in, Lebensgefährten, Kinder) bzw. Haushaltsangehörige in Betracht. Inwiefern das Haftungsprivileg auch für Haushaltsangehörige greift, ist höchstrichterlich nicht geklärt und sollte deswegen auch Gegenstand der "Home Office"-Vereinbarung sein (s. Boemke, BB 2000, 147, 153).
Des Weiteren sind auch im "Home Office" datenschutzrechtliche Aspekte zu berücksichtigen. Soweit personenbezogene Daten verarbeitet werden, finden § 26 BDSG (§ 32 BDSG a.F.) sowie die DSGVO Anwendung (zu den Neuregelungen 2018 s. § 83 Rdn 3 ff.). Grundsätzlich sollte der Arbeitgeber festlegen, ob er IKT zur Verfügung stellt und wie diese genutzt werden darf und/oder ob private Endgeräte eingesetzt werden dürfen (dazu noch unten Rdn 11 ff.).
Unabhängig vom Beschäftigtendatenschutz sollten auch Vorkehrungen hinsichtlich der Sicherung der betrieblichen Daten vor dem unberechtigten Zugriff Dritter getroffen sowie bei Teleheimarbeit ein Zutrittsrecht zur Wohnung vereinbart werden (s. auch den Wegweiser der Datenschutzbeauftragten des Bundes, abrufbar unter https://www.bfdi.bund.de).