Prof. Dr. Martin Henssler, Christiane Pickenhahn
Rz. 14
Häufig wird sich als praktisches Problem die unzureichende Überprüfbarkeit der Einhaltung des Beschäftigtendatenschutzes stellen. Wie soll bspw. ein Bewerber kontrollieren, ob der potenzielle Arbeitgeber Hintergrundrecherchen im Internet, insb. in sozialen Netzwerken vorgenommen oder Einsicht in den Dienstrechner genommen hat? Zwar besteht regelmäßig ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates bei der Einrichtung von technischen Überwachungen nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG sowie bei Überwachungsmaßnahmen hinsichtlich des Ordnungsverhaltens nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG (s. unten Rdn 15 ff.). Die praktischen Schwierigkeiten hinsichtlich der Ermittlung konkreter verdeckter Überwachungsmaßnahmen werden dadurch aber nicht beseitigt.
Ein wesentlich besserer Schutz ergibt sich hingegen für die Verwertung der im Rahmen einer Überwachungsmaßnahme erlangten Beweise in Kündigungsschutzprozessen. Ein Verstoß gegen § 26 BDSG (§ 32 BDSG a.F.) führt "für sich genommen" zwar noch nicht automatisch zu einem Beweisverwertungsverbot (BAG v. 22.8.2016 – 2 AZR 848/15, NZA 2017, 112; 21.6.2012 - 2 AZR 153/11, NZA 2012, 1025), jedoch führen gravierende Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen regelmäßig zu einer Abwägung zugunsten des Betroffenen (ausführl. s. Fuhlrott/Schröder, NZA 2017, 278, bisher vom BAG offengelassen, ob aus einem Verstoß eine Regelvermutung der Nichtverwertbarkeit folgt oder ob immer eine Einzelfallabwägung zwischen Beweisverwertungsinteresse und Persönlichkeitsschutz vorzunehmen ist, s. Däubler, NZA 2017, 1481). Soweit die Speicherung von Bildsequenzen aus einer rechtmäßigen offenen Videoüberwachung erfolgt, die bspw. vorsätzliche Handlungen eines Arbeitnehmers zulasten des Eigentums des Arbeitgebers zeigen, wird die Beweisverwertung nicht wegen bloßen Zeitablaufs unzulässig, sondern bleibt solange erlaubt, wie die Ahndung der Pflichtverletzung durch den Arbeitgeber arbeitsrechtlich möglich ist ("Datenschutz kein Tatenschutz", BAG v. 23.8.2018 –2 AZR 133/18, NZA 2018, 1329).
Streitig ist zudem die Verwertung von "Zufallsfunden" (z.B. Hinweise auf Zeugen oder Funde, die weitere Ermittlungen ermöglichen). Während nach einer neueren Entscheidung des BAG "Zufallsfunde" aus einer nach § 26 BDSG gerechtfertigten Videoüberwachung verwertbar sein können (s. BAG v. 22.9.2016 – 2 AZR 848/15, NZA 2017, 112), bleibt umstritten, ob Funde aus einer gegen § 26 BDSG verstoßenden Überwachung generell unverwertbar sind (sog. Fernwirkung der Beweisverwertung, offengelassen BAG v. 16.12.2010 – 2 AZR 485/08; Fernwirkung bejahend LAG Baden-Württemberg v. 6.5.1998 –12 Sa 115/97, BeckRS 1998, 41352; ArbG Düsseldorf v. 29.4.2011 – 9 BV 183/10, BeckRS 2011, 78949; ablehnend LAG Schleswig-Holstein v. 16.11.2011 – 3 Sa 284/11; Dzida/Grau, NZA 2010, 1201; Thüsing/Pötters, Beschäftigtendatenschutz und Compliance, § 21; Kramer, IT-Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2019, Rn 550).