Rz. 36
Da sich Lebenssachverhalte und auch Rechtsvorschriften regelmäßig ändern können, sehen A 1 Ziff. 8 und 9 AVB/Ziff. 3 und 4 AHB zur Vereinfachung die automatische Ausdehnung des Versicherungsschutzes für bestimmte Konstellationen vor. Rechtsfolge ist jeweils der Versicherungsschutz auch für die hinzukommenden bzw. sich ändernder Risiken.
Hauptanwendungsbereich ist die Betriebs- und Berufshaftpflichtversicherung. Die auch in der Haftpflichtversicherung geltenden §§ 23 ff. VVG zur Gefahrerhöhung werden durch die entsprechenden Versicherungsbedingungen eingeschränkt.
Zu unterscheiden ist zwischen der Erhöhung bzw. Erweiterung bereits versicherter und der Entstehung neuer Risiken:
a) Erhöhung und Erweiterung bestehender Risiken
Rz. 37
Das bereits bestehende Risiko kann sich in tatsächlicher (A 1 Ziff. 8.1 AVB/Ziff. 3.1 (2) AHB) oder rechtlicher (Ziff. 8.2 AVB/Ziff. 3.2 AHB) Hinsicht ändern. Eine Änderung aus Rechtsgründen kommt beispielsweise bei Einführung eines neuen Gefährdungstatbestandes in Betracht.
A 1 Ziff. 8 AVB/Ziff. 3.1 (2) und 3.2 AHB schließen Erhöhungen oder Erweiterungen des versicherten Risikos in den Versicherungsschutz ein. Erhöhung des Risikos ist die qualitative Veränderung und Erweiterung die quantitative Änderung einer bereits versicherten Gefahr.
In der privaten (Tierhalter-)Haftpflichtversicherung ist etwa der Ersatz des versicherten Ponys durch ein Großpferd eine Risikoerhöhung. In der Betriebshaftpflichtversicherung liegt z.B. bei erstmaliger Anschaffung einer bestimmten Produktionsmaschine eine Risikoerhöhung vor.
Rz. 38
Neben der Risikoerhöhung ist auch die Risikoerweiterung eingeschlossen, so dass die Abgrenzung zur Risikoerhöhung keine praktische Rolle spielt. Eine Risikoerweiterung in der Tierhalterhaftpflichtversicherung kann z.B. die Anschaffung eines weiteren Pferdes sein; in der Betriebshaftpflichtversicherung gilt gleiches für die Einstellung zusätzlichen Personals.
Rz. 39
Dem Versicherer steht nach den Gemeinsamen Bestimmungen zu Teil A Ziff. 2 AVB/Ziff. 13 AHB ein Beitragsanpassungsrecht zu. Ohne besondere Vereinbarung ist der Versicherungsnehmer erst nach Aufforderung des Versicherers binnen Monatsfrist zur Anzeige der Änderungen verpflichtet. Der Versicherer muss eindeutig zur Anzeige auffordern, was nach den Gemeinsamen Bestimmungen zu Teil A Ziff. 2.1 S. 2 AVB/Ziff. 13.1 S. 2 AHB auch mit der Beitragsrechnung erfolgen kann – zu den Hinweispflichten vgl. die Ausführungen zur Vorsorgeversicherung in Rdn 44 f., bei der allerdings bei Anzeigepflichtverletzung schon nach dem Wortlaut der Klauseln jeweils andere Sanktionen drohen.
Im Falle der Risikoerhöhung aus Rechtsgründen kann der Versicherer gem. A 1 Ziff. 8.2 S. 2 und 3 AVB/Ziff. 21 AHB kündigen.
b) Neu hinzukommende Risiken – Vorsorgeversicherung
Rz. 40
Bedeutsam ist die Abgrenzung einer Risikoerhöhung oder Risikoerweiterung von einem neuen Risiko. Ein solches ist nur im Rahmen der Vorsorgeversicherung nach A 1 Ziff. 9 AVB/Ziff. 3.1 (3), 4 AHB, versichert.
Die Vorsorgeversicherung ist eine Besonderheit in der Haftpflichtversicherung. Die bestehende Versicherung schließt ohne besondere Vereinbarung und zunächst auch ohne Anzeige und besondere Prämie ein neues Risiko ein, das jedoch bei Abschluss des ursprünglichen Vertrags überhaupt noch nicht, also auch nicht in noch so geringem Umfang, vorhanden gewesen sein darf.
Rz. 41
Wann es sich um ein neues Risiko handelt, ist umstritten. Dies ist z.B. in der Privathaftpflichtversicherung dann der Fall, wenn bislang das Tierhalterrisiko für einen Hund nicht vereinbart ist und der Versicherungsnehmer einen Hund anschafft. Hat allerdings der Versicherungsnehmer den bereits vorhandenen Hund bei Vertragsschluss nur nicht angegeben, handelt es sich nicht um ein unter die Vorsorgeversicherung fallendes neues Risiko.
Rz. 42
Das neue Risiko muss generell im versicherten Deckungsbereich liegen. Daran fehlt es z.B., wenn der Versicherungsnehmer einer Privathaftpflichtversicherung einen Gewerbebetrieb eröffnet, denn der Gewerbebetrieb gehört nicht zum Deckungsbereich der Privathaftpflichtversicherung. Gleiches gilt für Schäden die ein ursprünglich mitversichertes Kind nach Ausbildungsende verursacht.
In den Fällen des A 1 Ziff. 9.3 AVB/Ziff. 4.3 AHB besteht keine Vorsorgeversicherung. Die Regelungen greifen gem. A 1 Ziff. 2.2. S. 2 AVB/Ziff. 27.1 S. 1 AHB auch nicht, wenn das neue Risiko nur für Mitversicherte (vgl. Rdn 17) entsteht.
Rz. 43
Der Versicherer hat nach A 1 Ziff. 9.1 Abs. 4 AVB/Ziff. 4.1 (2) AHB ein Beitragsanpassungsrecht, das nach einem Monat nach Anzeige zum rückwirkenden Verlust des Versicherungsschutzes für das neue Risiko führt, wenn sich die Parteien innerhalb dieser Frist nicht auf die neue Prämienhöhe einigen.
Rz. 44
Ohne besondere Vereinbarung ist der Versicherungsnehmer auch hier erst nach Aufforderung des Versicherers binnen Monatsfrist zur Anzeige der Änderungen verpflichtet (vgl. A 1 Ziff. 9.1 Abs. 2 AVB/Ziff. 4.1 (1) AHB). Bei nicht rechtzeitiger Anzeige trotz Aufforderung entfällt der Versicherungsschutz in der Vorsorgeversi...