Rz. 29
Für den Versicherungsschutz ist nach A 1 Ziff. 3.1 S. 1 AVB/Ziff. 1.1 S. 1 AHB die Inanspruchnahme aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts maßgebend.
Rz. 30
Gesetzliche Haftpflichtbestimmungen ergeben sich aus deliktischen, quasi deliktischen und sonstigen gesetzlichen Anspruchsnormen, die den Ausgleich eines Schadens bezwecken.
Rz. 31
Auch vertragliche Ansprüche auf Schadensersatz sind Gegenstand der Haftpflichtversicherung, soweit sie aus dem Gesetz folgen, also nicht nach Grund oder Höhe nur auf dem Willen der Parteien beruhen. Sie dürfen allerdings nicht über den Umfang der gesetzlichen Haftpflicht hinausgehen (z.B. bei vertraglicher Haftungsverschärfung oder Verjährungsverlängerung). Ziff. 7.3 AHB enthält insoweit noch ein Ausschluss für Schäden aus der Überschreitung gesetzlicher Haftung, der aufgrund der primären Risikobegrenzung aus Ziff. 1.1 S. 1 AHB (entspricht A 1 Ziff. 3.1 S. 1 AVB) aber nur deklaratorisch ist.
Der Versicherer will nur ein kalkulierbares Haftpflichtrisiko tragen. Unerheblich ist, ob die gesetzliche Haftung erst durch einen Vertragsabschluss überhaupt zum Tragen kommt, z.B. durch Übernahme einer Verkehrssicherungspflicht wie der Räum- und Streupflicht, deren Verletzung zu Haftpflichtansprüchen führen kann. Nicht versichert ist hingegen etwa die Übernahme der Haftung für das Verhalten eines Dritten in anderen als den dafür gesetzlich (z.B. in §§ 278 oder 831 BGB) vorgesehenen Fällen.
Rz. 32
Eine Deckungsbegrenzung geht aber nur so weit, wie der Schaden auf der verschärften Haftung beruht. Wäre beispielsweise nach den gesetzlichen Regelungen nur ein Teil der Ansprüche, für die der Versicherungsnehmer insgesamt eine längere Verjährungsfrist zugestanden hat, verjährt, bleibt der Versicherungsschutz für die auch ohne die Verjährungsverlängerung noch nicht verjährten Ansprüche bestehen. Gleiches gilt z.B., wenn der Versicherungsnehmer eine verschuldensunabhängige Haftung vereinbart hat, ihn aber für den konkreten Sachverhalt nach dem Gesetz ohnehin ganz oder teilweise auch eine verschuldensabhängige Haftung treffen würde.
Rz. 33
Grundlagen für privatrechtliche Schadensersatzansprüche sind etwa:
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deliktische Ansprüche, z.B. §§ 823 ff. BGB, |
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quasideliktische Ansprüche, z.B. §§ 717, 945 ZPO, |
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Ansprüche aus Gefährdungshaftung wie § 833 BGB, |
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der Beseitigungsanspruch aus § 1004 BGB und der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch analog § 906 Abs. 2 BGB, sofern sie wie ein auf Naturalrestitution gerichteter Schadensersatzanspruch wirken, |
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Ansprüche aus §§ 989, 990 BGB, |
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Ausgleichsansprüche unter Gesamtschuldnern nach § 426 BGB. |
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Aber auch Ansprüche aus: |
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positiver Vertragsverletzung gem. § 280 Abs. 1 BGB oder wegen |
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Verschulden bei Vertragsschluss nach § 313 Abs. 2 BGB |
sind Gegenstand der Haftpflichtversicherung – jedoch nur hinsichtlich des negativen Interesses. Entscheidend ist, dass die Ansprüche nicht das Erfüllungsinteresse, also den Leistungsgegenstand selbst, sondern Schadensersatz betreffen, sich also auf ein außervertragliches Ereignis beziehen.
Rz. 34
Vertragliche Erfüllungsansprüche einschließlich daraus folgender Ansprüche aus Mängeln an dieser Leistung fallen nicht unter A 1 Ziff. 3.1 S. 1 AVB/Ziff. 1.1 S. 1 AHB, was A 1 Ziff. 3.2 AVB/Ziff. 1.2 AHB nochmals klarstellt. Der Versicherer – insbesondere der Betriebshaftpflichtversicherer – trägt nicht das unternehmerische Risiko des Versicherungsnehmers. Zu nicht gedeckten Erfüllungsansprüchen gehören:
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Ersatzlieferungen, Neuherstellung des Werkes, |
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Nachbesserung, Minderung, |
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Schadensersatz wegen Nichterfüllung oder verspäteter Erfüllung. |
Mithin ist etwa bei
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Nutzungsausfall, Mietausfallkosten, entgangenem Gewinn oder Minderwert |
zu unterscheiden, ob die Forderungen Folge mangelhafter Erfüllung oder eines von der Erfüllungsleistung abgrenzbaren Sachschadens sind.
Beispiel 1
Die Versicherungsnehmerin, eine Baufirma, verpflichtet sich, ein Objekt bis 31.12.2023 zu errichten. Die Fertigstellung der Immobilie verzögert sich um ein Jahr. Der Hauseigentümer beansprucht Ersatz des aus den nicht eingenommenen Mieteinahmen entgangenen Gewinns.
Der Mietausfall des Hauseigentümers stellt damit einen nicht gedeckten Erfüllungsanspruch dar. Die zeitgerechte Errichtung war Teil der von der Versicherungsnehmerin geschuldeten Leistung.
Beispiel 2
Der Versicherungsnehmer verursacht bei Schweißarbeiten zur Reparatur eines Treppengeländers einen Brand in einer angrenzenden Wohnung, die daraufhin zwei Monate nicht vermietbar ist.
Der durch den Brandschaden verursachte Mietausfall hat mit der vertraglichen Leistung (Reparatur des Geländers) nichts zu tun und ist damit versichert.
Beispiel 3
Einem Zahnarzt unterläuft beim Setzen eines Implantats ein Fehler. Das Implantat ist zu erneuern; der Nachbarzahn geht verloren und ist nun auch durch ein Implantat zu ersetzen.
Die Kosten für das zu ersetzende erste Implantat stellen einen nicht versicherten Erfüllungsschaden dar, während jene des benachbart...