Rz. 37
Nach § 20 Abs. 1 BNotO sind Notare für die amtliche Aufnahme eines Bestandsverzeichnisses gem. § 2314 Abs. 1 S. 3 BGB zuständig. Der Pflichtteilsberechtigte hat zwar einen Anspruch auf Anwesenheit entsprechend § 2314 Abs. 1 S. 2 BGB, ist seinerseits selbst jedoch nicht antragsbefugt. Zum privaten Verzeichnis besteht inhaltlich kein Unterschied; da der Notar nach ständiger Rechtsprechung und ganz herrschender Literatur den Nachlassbestand selbst und eigenständig zu ermitteln hat, bietet das notarielle Nachlassverzeichnis gegenüber dem privatschriftlichen einen höheren Beweiswert; jedenfalls dann, wenn es vollständig, richtig und sorgfältig erstellt wurde.
Die Aufnahme des amtlichen Verzeichnisses kann auch dann noch verlangt werden, wenn zunächst nur ein privates Verzeichnis gefordert wurde. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn der Pflichtteilsanspruch zwischenzeitlich verjährt ist. Der Erbe kann die Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses entsprechend § 1990 Abs. 1 S. 1 BGB verweigern, wenn ein Aktivnachlass nicht vorhanden ist, aus dem die Kosten für den Notar entnommen werden können; er kann sich jedoch dann nicht auf die Dürftigkeitseinrede berufen, wenn der Pflichtteilsberechtigte bereit ist, die Kosten des Notars zu tragen und im Voraus direkt an diesen zu entrichten.
Rz. 38
Grundsätzlich liegt es im Ermessen der aufnehmenden Amtsperson, wie sie den Nachlassbestand feststellt. Sie ist zur Vornahme von Ermittlungen berechtigt und auch verpflichtet und für den Inhalt des Verzeichnisses verantwortlich. Der auskunftsverpflichtete Erbe kann die Inventarstücke selbst auflisten und dem Notar die Liste für das Verzeichnis übergeben. Umstritten war die Frage, ob sich die beurkundende Amtsperson in den Fällen, in denen der Erbe das Verzeichnis erstellt hat, mit dem Hinweis auf die Wahrheits- und Vollständigkeitspflicht beschränken darf. Dieser Rechtsauffassung steht entgegen, dass der beurkundende Notar alle zur Erstellung des Verzeichnisses notwendigen Handlungen in eigener Person vornehmen muss. Diese Rechtsprechung hat sich verfestigt und ist durch das Bundesverfassungsgericht bestätigt: Es besteht eine vollumfängliche Ermittlungspflicht des Notars. Dieser wird nur Genüge getan, wenn der Notar den Nachlassbestand selbst und eigenständig – wenn auch zunächst ausgehend von den Angaben des Auskunftsverpflichteten – ermittelt hat und durch Bestätigung des Bestandsverzeichnisses als von ihm aufgenommen, zum Ausdruck bringt. Der Notar muss alle in Betracht kommenden Ermittlungsansätze vollständig ausschöpfen. Bei seiner Ermittlungstätigkeit hat sich der Notar daran zu orientieren, welche Nachforschungen ein objektiver Dritter aus Sicht des Pflichtteilsberechtigten tätigen würde. Der Notar hat dabei gleichsam als "Treuhänder" des Pflichtteilsberechtigten Belege für diesen zu sichten und diese für das Nachlassverzeichnis auszuwerten. Mögliche Ermittlungstätigkeiten sind:
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eigene Ermittlung von Grundbesitz, |
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Veranlassung der Einholung von Bewertungsgutachten durch den Auskunftsverpflichteten, |
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Überprüfung eingeholter Wertgutachten auf Plausibilität, |
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Einsichtnahme in die (vollständigen) Kontoauszüge, Sparbücher oder vergleichbare Bankunterlagen für einen Zehn-Jahres-Zeitraum, |
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Einholung einer Vollmacht des Auskunftsverpflichteten, um bei Bankinstituten (einschließlich Sparkassen), die in der Nähe des letzten Wohnortes eine Zweigstelle unterhalten, anzufragen, ob im genannten Zehn-Jahres-Zeitraum eine Kundenverbindung zum Erblasser bestanden habe, nebst entsprechender Anfrage, |
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Zusammenstellung der einen bestimmten Betrag übersteigenden Verfügungen über die ermittelten Konten, soweit diesen Schenkungen oder sonstige Zuwendungen zugrunde liegen (könnten). |
Angezeigt kann es darüber hinaus sein, die Erblasser-Wohnung zu begehen, in Augenschein zu nehmen und die dort befindlichen Gegenstände zu verzeichnen. Jedenfalls soweit diese nicht auf den ersten Blick wertlos oder geringwertig erscheinen, was etwa für Massenware wie Besteck, Geschirr, Einweckgläser, Waschkessel, Holzbänke, Regale und Telefone sowie unverkäufliche Gegenstände wie gebrauchte Betten oder selbstgebaute Möbelstücke gilt. Bei geringwertigen Gegenständen reicht eine Sammelbezeichnung. Eine Fotodokumentation kann ausreichend sein, wenn der Nachlass umfassend abgebildet ist.
Rz. 39
Im Rahmen der Plausibilitätskontrolle ist der Notar dazu angehalten, den Erben bei klärungsbedürftigen Vorgängen diesbezüglich zu befragen und er muss diesen ggf. auch dazu auffordern, dessen Auskunftsanspruch gegen Dritte geltend zu machen.
Beschränkt sich der Notar bei der Aufnahme des Nachlassbestandsverzeichnisses auf die Auflistung dessen, was ihm der Erbe zur Auskunftserteilung vorlegt, tritt eine Erfüllung des Auskunftsanspruchs nicht ein. Erfolgt im Rahmen der Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses in Bezug auf den fiktiven Nachlass nur die Wiedergabe der...