Rz. 102
Die Ansprüche auf Auskunfts- und Wertermittlung des § 2314 BGB können sowohl einzeln im Wege der Leistungsklage als auch gem. § 254 ZPO als Stufenklage verfolgt werden. Der Antrag auf Auskunft ist dabei möglichst konkret zu fassen, damit er später auch vollstreckt werden kann. Der Klageantrag sollte sich demzufolge auf die folgenden Punkte, die ein Nachlassverzeichnis grundsätzlich zu enthalten hat, erstrecken:
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auf die im Erbfall tatsächlich vorhandenen Gegenstände und Forderungen (Aktiva); |
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auf alle Nachlassverbindlichkeiten (Passiva); |
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auf alle Schenkungen, die der Erblasser zu Lebzeiten getätigt hat und die in den fiktiven Nachlass fallen könnten, einschließlich Pflicht- und Anstandsschenkungen und über alle ehebezogenen Zuwendungen unter Ehegatten; |
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auf alle an Abkömmlinge erfolgten Zuwendungen, die nach §§ 2050 ff., 2326 BGB ausgleichspflichtig sind; |
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auf den Güterstand, in dem der Erblasser gelebt hat; |
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auf Vorlage der entsprechenden Belege. |
Der Streitwert der Pflichtteilsstufenklage bestimmt sich nach den realistischen wirtschaftlichen Erwartungen des Klägers zu Beginn des Verfahrens. Für die Bemessung der realistischen wirtschaftlichen Erwartungen des Klägers kann auf die Erkenntnisse bei Beendigung des Verfahrens abzustellen sein, wenn die zu Beginn des Verfahrens mitgeteilten Erwartungen ersichtlich unzutreffend waren.
Rz. 103
Das Auskunftsinteresse ist mit einer Quote des Wertes des Leistungsanspruchs zu bestimmen, der i.d.R. zwischen 1/10 und ¼ bemessen wird und umso höher anzusetzen ist, je geringer die Kenntnisse des Pflichtteilsberechtigten und sein Wissen über die zur Begründung seines Leistungsanspruchs maßgeblichen Tatsachen sind.
Rz. 104
Eine Berufung gegen eine gerichtlich festgestellte Auskunftsverpflichtung ist nach § 511 Abs. 2 ZPO nur zulässig, wenn das entsprechende Interesse mit mehr als 600 EUR zu beziffern ist.
Für den Auskunftsverpflichteten ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs maßgeblich, welchen Aufwand er an Zeit und Kosten hat, um die geschuldete Auskunft erteilen zu können. Der Zeitaufwand des Auskunftsverpflichteten ist in Anlehnung an den Stundensatz zu bewerten, den der Auskunftsverpflichtete nach dem Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz (JVEG) als Zeuge im Zivilprozess erhalten würde. Der Ansatz von 4 EUR pro Arbeitsstunde entsprechend § 20 JVEG unterliegt keinen Bedenken. Der Aufwand an Zeit und Kosten ist vom Auskunftsverpflichteten glaubhaft zu machen. Die Kosten der Hinzuziehung einer sachkundigen Hilfsperson können nur dann berücksichtigt werden, wenn der Auskunftsverpflichtete selbst zu einer sachgerechten Auskunft nicht in der Lage ist. Die Notwendigkeit, Hilfspersonen in Anspruch zu nehmen, kann sowohl aufgrund des Alters des Auskunftsverpflichteten als auch aufgrund der Vielschichtigkeit der zu erteilenden Auskünfte gegeben sein. Ist der Auskunftsverpflichtete zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung verurteilt, hat er zuvor die erteilte Auskunft auf Vollständigkeit und Richtigkeit zu überprüfen und gegebenenfalls zu ergänzen und zu berichtigen. Dabei darf er einen Rechtsanwalt einschalten, wenn der Urteilsausspruch auf Auskunftserteilung nicht hinreichend bestimmt ist. Dessen Kosten sind Teil des Aufwands des Auskunftsverpflichteten und bei der Bemessung der Beschwer zu berücksichtigen.
Wird der Beklagte nicht nur zur Auskunftserteilung, sondern auch zur Belegvorlage verurteilt, kommt es für die Bemessung des Wertes des Beschwerdegegenstandes auch auf die Kosten an, die mit der Beschaffung der Belege wie z.B. Bankunterlagen für die letzten zehn Jahre vor dem Erbfall verbunden sind.
Rz. 105
Durch eine einstweilige Verfügung kann der Auskunftsanspruch nicht durchgesetzt werden.
Rz. 106
Gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB hemmt die isolierte Klage auf Auskunftserteilung oder Wertermittlung nicht die Verjährungsfrist des Pflichtteils- oder Pflichtteilsergänzungsanspruchs; eine solche Hemmung tritt lediglich mit Erhebung der Stufenklage ein. Die Stufenklage besteht aus zwei oder drei prozessualen Stufen, nämlich dem Antrag auf Auskunftserteilung nebst Wertermittlung gem. § 2314 BGB, dem Antrag auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung gem. § 260 Abs. 2 BGB und dem Leistungsantrag über die Zahlung des Pflichtteils. Der Leistungsantrag muss nicht genau beziffert sein. Eine Bezifferung des Leistungsanspruchs in Höhe eines Mindestanspruchs hindert aber nicht daran, dass eine Stufenklage vorliegt. Eine unbezifferte Stufenklage verbunden mit einer bezifferten Teilklage, gerichtet auf die Zahlung des unstreitigen Teils des Pflichtteilsanspruch, ist zulässig. Allerdings ist der Erlass eines Teilurteils bezüglich der bezifferten Teilklage immer dann unzulässig, wenn über eine Frage zu entscheiden wäre, die sich dem Gericht im weiteren Verfahren noch einmal stellt oder stellen kann. Dies ist dann der Fall, wenn kein "Mindestnachlasswert" zweifelsfrei und unstreitig...