Rz. 113
Durch den Einsatz mobiler Kommunikationsmittel sind Arbeitnehmer heutzutage nicht zwingend ortsgebunden. Dementsprechend wird die Arbeitsleistung von mehr und mehr Beschäftigten nicht mehr unbedingt in den Räumlichkeiten des Arbeitgebers erbracht, sondern zunehmend auch außerhalb der Betriebsstätte.
Rz. 114
Beispiel
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Bei Telearbeit/Homeoffice (vgl. hierzu § 7 Rdn 46 ff.) |
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Bei Projektarbeit im In- oder Ausland mit "mobilem Büro" |
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Bei Außendienstmitarbeit |
Rz. 115
Die Abkehr von der Bürogebundenheit lässt auch neue Fallkonstellationen für den Arbeitsschutz entstehen. Grundsätzlich gilt, dass unabhängig davon, wo genau der Arbeitnehmer seine Tätigkeit verrichtet, der Arbeitgeber für die Einhaltung derselben arbeitsschutzrechtlichen Anforderungen zu sorgen hat, die sich auch beim Tätigwerden in den Betriebsräumen stellen würden. Bei der Einführung neuer Arbeitsgeräte sind z.B. Schulungen zu Sicherheit und Gesundheitsschutz obligatorisch.
Rz. 116
Praxistipp
In einer Betriebsvereinbarung kann geregelt werden, dass Weiterbildungen wie Schulungsmaßnahmen bei der Firma organisiert und durchgeführt werden
Rz. 117
Unter arbeitsschutzrechtlichen Gesichtspunkten, insbesondere in punkto Arbeitszeit, können sich für den Arbeitgeber neue Herausforderungen stellen (siehe insgesamt zu den Herausforderungen der Digitalisierung für das Arbeitszeitrecht § 2 Rdn 1 ff.). Der Arbeitgeber hat die Einhaltung der Vorgaben zu Dauer und Lage der Arbeitszeit nach dem ArbZG oder die Beachtung der Vorschriften der Arbeitsstättenverordnung (für die in Heimarbeit Beschäftigten, vgl. hierzu § 7 Rdn 51) sicherzustellen. Neben Vereinbarungen zur Arbeitszeit (betriebsüblich oder selbstbestimmt) und telefonischer Erreichbarkeit, können Regelungen zu Verhaltenskontrollen getroffen werden, welche insbesondere bei Missbrauchsverdacht sinnvoll sind. Bei schwerwiegenden arbeitsrechtlichen Verstößen kann eine Missbrauchskontrolle nach höchstrichterlicher Rechtsprechung auch nicht durch eine anderslautende Betriebsvereinbarung ausgeschlossen werden. Denkbare schwerwiegende arbeitsrechtliche Verstöße gegen die Arbeitszeit können hier z.B. sein – "Arbeitszeitbetrug", die unerlaubte Konkurrenztätigkeit während der bezahlten Arbeitszeit oder auch die Träumerei, die Bummelei oder die zu ausgiebige private Kommunikation mit Kollegen oder Kunden. Die näheren Umstände der Kontrolle von Verhalten und Leistung kann durch Vereinbarungen geregelt werden. Für die Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen zur Verhaltens- oder Leistungskontrolle ist zudem das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gem. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG zu beachten.
Rz. 118
Im Zusammenhang mit Arbeitszeit kann ein weiterer Aspekt Bedeutung erlangen, wenn die beiderseitigen Interessen zu Dauer und Lage der Arbeitszeit divergieren.
Rz. 119
Beispiel
Insbesondere bei längeren Dienstreisen oder Projektarbeiten mit anschließender Rückkehr zur Tätigkeit im Betrieb ist denkbar, dass das Beschäftigteninteresse darin besteht, die Tätigkeit am anderen Ort so schnell wie möglich zu erledigen, um bald nach Hause zurückzukehren und dafür im Gegenzug auch zuschlagspflichtige Sonn- und Feiertagsarbeit zu leisten.
Rz. 120
Hierfür ist zum Schutz der Arbeitnehmer die Vorschrift des § 9 ArbZG zu beachten, die ein Beschäftigungsverbot an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen enthält. Abweichend von § 9 sieht § 10 ArbZG eine Sonn- und Feiertagsbeschäftigung nur ausnahmsweise vor. Diese ist für den Arbeitgeber auch regelmäßig mit einem höheren Entgeltaufwand verbunden, zumindest in tarifgebundenen Arbeitsverhältnissen.
Rz. 121
Missbrauchsfälle können dann entstehen, wenn Arbeitnehmer eigenmächtig außerhalb der geregelten Arbeitszeiten ihren Dienst verrichten und Arbeitgeber die Arbeitsleistung duldend entgegennehmen, gleichwohl ohne die vereinbarten Zuschläge zu zahlen. Diese Fälle lösen sich oft nach dem Motto: "Wo kein Kläger, da kein Richter." bzw. aufgrund wirksam vereinbarter Ausschlussfristen.
Rz. 122
Vor diesem Hintergrund ist eine Bereitschaft der Arbeitnehmer zu Sonn- und Feiertagsarbeit aus Arbeitgebersicht vor dem Aspekt einer möglichen Gesundheitsgefährdung der Arbeitnehmer grundsätzlich bedenklich. In der Praxis ist hier zu beobachten, dass nach dem Prinzip der Dominosteine mit der Berufung auf die Regelung in Konkurrenzunternehmen die Verlängerung der Betriebsnutzungszeiten durch eine rasante Zunahme der Beschäftigung an Sonn- und Feiertagen erreicht wird.