Rz. 311
Eine Leistungsverfügung in Bezug auf erbrechtliche Herausgabeansprüche kommt nur in Betracht, wenn der Antragsteller auf die Sache zur Erzielung seines Lebensunterhalts oder zur Vermeidung oder Beseitigung einer Notlage angewiesen ist.
Bei erbrechtlichen Sachverhalten geht es häufig um die Nutzung eines Gegenstandes durch einen anderen als den endgültigen Rechtsinhaber, z.B. bei einem Nießbrauch an einer Sache, einem schuldrechtlichen Nutzungsrecht, einem schuldrechtlichen oder dinglichen Wohnungsrecht oder im Verhältnis von Vor- und Nacherbe. Werden in solchen Rechtsverhältnissen die Grenzen des ordnungsgemäßen Gebrauchs gravierend verletzt und besteht die dringende Gefahr einer nicht unerheblichen Verschlechterung der Sache, so kann die Herausgabe an einen Sequester angeordnet werden, ohne dass mit der Herausgabe an den Antragsteller die Hauptsache vorweggenommen werden müsste.
Rz. 312
Keine einstweilige Verfügung gewährt die Rechtsprechung wegen drohender Entwertung der herauszugebenden Sachen, wenn die Nutzung bestimmungsgemäß fortgesetzt wird und das Nutzungsrecht freiwillig eingeräumt wurde:
In einem vom OLG Düsseldorf entschiedenen Fall hatte die Eigentümerin beantragt, den Antragsgegnern im Wege der einstweiligen Verfügung aufzugeben, Geräte zum Betrieb eines Kosmetikstudios nach Beendigung des Nutzungsrechts an den Gerichtsvollzieher als Sequester herauszugeben. Der Antrag hatte weder in der ersten noch in der Berufungsinstanz Erfolg.
Aus der Begründung des OLG Düsseldorf MDR 1995, 635:
Zitat
Die Besorgnis der Vereitelung oder wesentlichen Erschwerung eines Herausgabeanspruchs lässt sich nicht aus dem mit der Weiterbenutzung verbundenen Wertverlust herleiten. Unter welchen Voraussetzungen ein solcher Wertverlust den Erlass einer einstweiligen Verfügung rechtfertigt, ist umstritten. Während teilweise die bloße Abnutzung durch den weiteren Gebrauch als ausreichend angesehen wird (Zöller/Vollkommer, § 936 ZPO Rn 13; MüKo/Heinze, § 935 ZPO Rn 22), verlangt die Gegenauffassung eine weitergehende Beeinträchtigung, etwa durch übermäßigen Gebrauch oder eine sonstige über die bestimmungsgemäße Nutzung hinausgehende Gefährdung der Sachsubstanz (OLG Köln ZIP 1988, 445; vgl. auch Stein/Jonas/Grunsky, 20. Auflage, 2. Bearb., § 935 ZPO Rn 12). Es erscheint bereits fraglich, ob die unveränderte Fortsetzung der bisherigen Nutzung überhaupt eine "Veränderung des bestehenden Zustands" i.S.d. § 935 ZPO darstellt. Als Vereitelung oder wesentliche Erschwerung des Anspruchs können deshalb allenfalls Einwirkungen angesehen werden, die die Sachsubstanz so nachhaltig beeinträchtigen, dass der Herausgabeanspruch wirtschaftlich ausgehöhlt wird und dem Berechtigten gleichsam nur noch die leere Hülle seines Rechts verbleibt. Das ist bei der bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache befristeten weiteren bestimmungsgemäßen Nutzung in der Regel nicht der Fall.
Diese Betrachtung trägt zugleich dem Gedanken Rechnung, dass der Eigentümer, der eine Sache einem anderen zum Gebrauch überlassen hat, in Bezug auf die Sicherung seiner Rechte nicht schutzwürdiger erscheint als jeder andere Gläubiger, der seine Ansprüche gerichtlich durchsetzen muss. Setzt der Besitzer den Gebrauch unberechtigt fort, so kommen regelmäßig Ansprüche aus der zugrunde liegenden Vertragsbeziehung oder aus §§ 987 ff. BGB in Betracht, die einen gewissen Ausgleich bewirken. Das Risiko, diese Forderungen wegen Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht realisieren zu können, rechtfertigt vorbehaltlich besonderer Umstände ebenso wenig eine Sicherung im vorläufigen Rechtsschutz wie die allgemeine Gefahr, dass sich die Vermögensverhältnisse des Schuldners verschlechtern.
Nach diesen Erwägungen erscheint eine Sicherungsverfügung zugunsten des Eigentümers, der eine Sache freiwillig einem Dritten zur Nutzung überlassen hat, allenfalls dann geboten, wenn die Grenzen des bestimmungsgemäßen Gebrauchs deutlich überschritten werden und damit Verschlechterungen drohen, die von der ursprünglichen Überlassungsentscheidung nicht mehr gedeckt sind. …
Rz. 313
In einem ähnlichen Fall hat das OLG Dresden entschieden:
Zitat
"Eine einstweilige Verfügung auf Herausgabe sicherungsübereigneter Kraftfahrzeuge an einen Sequester ist nicht allein deshalb gerechtfertigt, weil der weitere Gebrauch der Fahrzeuge zu einer Abnutzung und Entwertung führt."
Rz. 314
Aus dieser Rechtsprechung kann geschlossen werden, dass eine einstweilige Verfügung auf Herausgabe von Gegenständen an einen Sequester zulässig sein kann, wenn der unmittelbare Besitzer bzw. Gewahrsamsinhaber – woher er sein Recht auch nimmt – die Grenzen eines ordnungsgemäßen Gebrauchs der Sache verletzt.
Rz. 315
Kritik an dieser Rechtsprechung übt mit beachtlichen Argumenten Bornhorst in WM 1998, 1668. Er führt u.a. aus, dass das Argument, die einstweilige Verfügung auf Herausgabe nehme die Hauptsache vorweg, nicht stichhaltig sei, weil nicht Herausgabe an den Gläubiger, sondern an einen Sequester angeordnet werden könne, ...