Rz. 48
Nach § 12 GBO ist die Einsicht des Grundbuchs jedem gestattet, der ein berechtigtes Interesse darlegt. Dieses Einsichtsrecht erstreckt sich auf Urkunden, auf die im Grundbuch zur Ergänzung einer Eintragung Bezug genommen ist, und auch auf noch nicht erledigte Eintragungs- und Löschungsanträge. Der Testamentserbe hat sein berechtigtes Interesse i.d.R. mit je einer beglaubigten Abschrift des Testaments und des Eröffnungsprotokolls glaubhaft zu machen.
Rz. 49
Das berechtigte Interesse ist umfassender als das rechtliche Interesse. Es ist gegeben, wenn zur Überzeugung des Grundbuchamts ein verständiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse des Antragstellers dargelegt wird, wobei auch ein bloß tatsächliches, insbesondere wirtschaftliches Interesse das Recht auf Grundbucheinsicht begründen kann. Sachliche Gründe, die die Verfolgung unbefugter Zwecke oder bloßer Neugier ausgeschlossen erscheinen lassen, reichen aus. In diesem Rahmen umfasst das Einsichtsrecht auch die in Bezug genommenen Urkunden (§ 12 Abs. 1 S. 2 GBO) und über § 12 Abs. 3 Nr. 1 GBO i.V.m. § 46 GBV den übrigen Inhalt der Grundakten, auch wenn dieser keinen unmittelbaren Bezug zur Grundbucheintragung hat. Gemäß § 12 Abs. 2 GBO und § 46 Abs. 3 GBV kann, soweit ein Einsichtsrecht besteht, auch die Übersendung von Abschriften gefordert werden.
Rz. 50
"Darlegung" bedeutet einen nachvollziehbaren Vortrag von Tatsachen in der Weise, dass dem Grundbuchamt daraus die Überzeugung von der Berechtigung des geltend gemachten Interesses verschafft wird, also mehr als die bloße Behauptung von Tatsachen und mehr als einen pauschalen Vortrag. Entscheidend ist i.d.R. das Vorbringen sachlicher Gründe, die die Verfolgung unbefugter Zwecke oder bloßer Neugier ausgeschlossen erscheinen lassen. Dies ist im Fall erbrechtlicher Ansprüche nicht grds. der Fall, sondern im Einzelfall zu prüfen.
Bloßes Behaupten von Ansprüchen und schlagwortartige Formulierungen belegen kein nachvollziehbares berechtigtes Interesse.
Rz. 51
Ein berechtigtes Interesse eines Pflichtteilsberechtigten kann bejaht werden, wenn er nach dem Tod des im Grundbuch eingetragenen Erblassers seine erbrechtlichen Ansprüche prüfen will. Das gilt auch, wenn inzwischen der Erbe als Rechtsnachfolger eingetragen ist.
Rz. 52
Dabei kann das Interesse sich nicht nur auf die Frage erstrecken, in welcher Höhe mögliche Ansprüche gegen Miterben bestehen. Können Pflichtteilsergänzungsansprüche entstanden sein, so ergibt sich das berechtigte Interesse an der Einsicht in Grundbuchblätter auch ehemaligen Grundeigentums des Erblassers allein schon zur Klärung, ob solche Ansprüche tatsächlich entstanden sind. Das Interesse umfasst auch die Einsicht in die Abteilungen II und III. Auch einem gesetzlichen Erben kann ein Pflichtteilsergänzungsanspruch nach §§ 2325, 2326 BGB zustehen. Der Zweck der Norm ist nämlich nicht nur auf einen Ausgleich bei Beeinträchtigung der Höhe des Pflichtteils durch den Erblasser beschränkt. Hat der Erblasser vor seinem Tod den Nachlass dadurch gemindert, dass er Schenkungen vorgenommen hat, steht einem Pflichtteilsberechtigten auch dann ein Ergänzungsanspruch zu, wenn er gesetzlicher oder gewillkürter Miterbe ist.
Rz. 53
Im Prinzip kommt auch der Erbe eines Pflichtteilsberechtigten in Betracht, weil der Anspruch vererblich ist (§ 2317 Abs. 2 BGB).
Rz. 54
Aus einem bloßen Verdacht lässt sich regelmäßig ein berechtigtes Interesse nicht herleiten.
Rz. 55
Nach § 12 Abs. 2 GBO können beglaubigte oder unbeglaubigte Abschriften verlangt werden.