Rz. 195
Eine Vollmacht erlischt, wenn der Bevollmächtigte Alleinerbe des Vollmachtgebers wird. Denn bei der transmortal erteilten Vollmacht wird der Erbe bzw. werden die Erben nach dem Tod des Vollmacht- und Auftraggebers seinerseits bzw. ihrerseits Vollmacht- und Auftraggeber. Vollmachtgeber und Bevollmächtigter können aber nicht personenidentisch sein. In einem solchen Fall endet mit dem Tod das Auftragsverhältnis, so dass Schlussrechnung zu legen ist.
Hinweis
Dem Erlöschen der transmortalen Vollmacht kann vorgebeugt werden, indem entweder mehrere Bevollmächtigte bestellt werden oder ein Ersatzbevollmächtigter bestellt wird und das Wirksamwerden der Ersatzbevollmächtigung durch Vorlage einer Sterbeurkunde nachgewiesen wird.
A.A. jedoch das Kammergericht, Beschl. v. 2.3.2021:
Zitat
"Eine transmortale Vollmacht des eingetragenen Berechtigten genügt zum Nachweis der (Vertretungs-)Macht des Bevollmächtigten auch dann, wenn dieser erklärt, Alleinerbe des Vollmachtgebers zu sein; es bedarf keines Nachweises der Erbfolge in der Form des § 35 Abs. 1 GBO (Fortführung von Senat MDR 2021, 162; entgegen OLG Hamm FGPrax 2013, 148; OLG München NJW 2016, 3381)."
Nunmehr das OLG München, Beschl. v. 10.2.2022:
Zitat
1. Mit dem Erbfall erwirbt der transmortal Bevollmächtigte aufgrund der Ermächtigung der Erblasserin die Befugnis, innerhalb der ihm eingeräumten Vertretungsmacht über das zum Nachlass gehörende Vermögen in Vertretung der Erben zu verfügen.
2. Der transmortal Bevollmächtigte muss weder die Erben namhaft machen, für die er handelt, noch die Zustimmung der Erben zu seinem Handeln einholen.
3. Jedenfalls dann, wenn der transmortal Bevollmächtigte nicht Alleinerbe geworden ist, erlischt die transmortale Vollmacht beim Erbfall nicht durch Konfusion.
Rz. 196
OLG München, Beschl. v. 15.11.2011, zur rechtsdogmatischen Konstruktion der transmortalen Vollmacht bei gleichzeitig angeordneter Testamentsvollstreckung:
Zitat
"…Die transmortale Generalvollmacht kann selbstständig neben der Testamentsvollstreckung stehen und dem Vollmachtnehmer eigenständige, vom Erblasser und nicht vom Testamentsvollstrecker abgeleitete Befugnisse verleihen. …"
Bestätigt vom OLG München zur postmortalen Vollmacht bei gleichzeitiger Testamentsvollstreckung.
Widerruf der Vollmacht bei Testamentsvollstreckung: Nicht durch Testamentsvollstrecker, sondern durch die Erben = kein Verwaltungshandeln, vgl. BGH NJW 1962, 1718, Reithmann, BB 1984, 1394.
Zum Verhältnis zwischen transmortaler Vollmacht und Testamentsvollstreckung der BGH im Beschl. v. 14.9.2022: Das Verhältnis von postmortaler bzw. transmortaler Vollmacht zu einer vom Erblasser angeordneten Testamentsvollstreckung kann nicht allgemein, sondern nur im Einzelfall aufgrund einer Auslegung der Vollmachtsurkunde und der letztwilligen Verfügung unter Berücksichtigung des Erblasserwillens ermittelt werden.
Eine postmortale Vollmacht, die unwiderruflich oder nicht widerrufen worden ist, kann grundsätzlich auch im Außenverhältnis selbstständig neben der Testamentsvollstreckung stehen und dem Vollmachtnehmer eigenständige, vom Erblasser und nicht vom Testamentsvollstrecker abgeleitete Befugnisse verleihen. Dabei kann das Verhältnis der postmortalen Vollmacht zur Testamentsvollstreckung nicht losgelöst vom jeweiligen Einzelfall bestimmt werden. Zwar wird es im Allgemeinen dem maßgeblichen Willen des Erblassers entsprechen, dass keine voneinander unabhängigen Machtbefugnisse verschiedener Personen mit gegenseitiger Störungsmöglichkeit nebeneinander bestehen. Die einem Dritten erteilte postmortale Vollmacht betrifft aber nicht generell im Außenverhältnis nur Vermögensteile, die nicht unter die Testamentsvollstreckung fallen, auch wenn der vom Erblasser Bevollmächtigte nach dem Erbfall als Bevollmächtigter des Erben anzusehen ist und dessen Verfügungsmacht durch die Rechte eines Testamentsvollstreckers gemäß § 2211 Abs. 1 BGB beschränkt wird. Ebenso wenig kann allgemein angenommen werden, dass im Umfang der postmortalen Bevollmächtigung der Machtbereich des Testamentsvollstreckers nach § 2208 Abs. 1 S. 1 BGB eingeschränkt ist. Vielmehr ist der wirkliche Wille des Vollmachtgebers und Erblassers ausgehend vom jeweiligen Wortlaut der Vollmachtsurkunde und der Anordnung der Testamentsvollstreckung durch Auslegung der beiden Urkunden – unabhängig von ihrer zeitlichen Reihenfolge – nach den Maßstäben des § 133 BGB zu erforschen.