Rz. 439

Der Haushaltsführungsschaden (HFS; vgl. auch Anlage 11 – siehe § 14 Rdn 14 f.) ist die am häufigsten vergessene oder zumindest falsch berechnete Schadenposition überhaupt, sodass hierbei oft gigantische Summen "verschenkt" werden. Dabei geht es regelmäßig um weit höhere Summen als z.B. beim Schmerzensgeld. Das eröffnet zum einen eine enorme Regressgefahr für den Anwalt, zum anderen bringt er sich dadurch auch um einen großen Teil seiner Honoraransprüche.

Auf dem 48. Verkehrsgerichtstag in Goslar 2010 wurde dem Thema umfassend Rechnung getragen, sodass es sich lohnt, alle vier damals gehaltenen Referate von Jahnke, Kuhn, Warlimont und Wessel in der offiziellen Dokumentation (ab Seite 99) nachzulesen.

 

Rz. 440

Dogmatisch ist – worauf Schah Sedi/Schah Sedi, Das verkehrsrechtliche Mandat Band 5: Personenschäden, § 3 Rn 149 ff., zutreffend hinweisen – eine differenzierte Betrachtung geboten: Haushaltsführungstätigkeit im Ein-Personen-Haushalt und hinsichtlich des Eigenanteils des Verletzten innerhalb einer Familie sind als "vermehrte Bedürfnisse" i.S.d. § 843 Abs. 1 Alt. 2 BGB einzuordnen. Soweit die verletzte Person im Haushalt darüber hinaus auch für andere Familienmitglieder tätig, ist dieser Anteil an Haushaltsführungstätigkeit als "Erwerbsschaden" anzusehen (siehe unten Rdn 455 ff.).

 

Rz. 441

Haushaltsführungsschaden steht demzufolge Frauen wie Männern gleichermaßen zu (BGH NJW 1985, 735; OLG Rostock zfs 2003, 133 ff.). Im Verletzungs- wie im Tötungsfall handelt es sich um einen echten Schadenersatzanspruch der Berechtigten (KG DAR 2008, 520). Das führt im Rahmen unseres Haftungssystems dazu, dass der Umfang des Anspruchs den auch sonst gegebenen Einschränkungen unterworfen ist. Aus diesem Grund bleibt der Ersatzanspruch vielfach hinter den tatsächlichen Aufwendungen zurück. Mit der finanziellen oder gar moralischen Bewertung der Arbeit der/des Haushaltführenden hat dies nichts zu tun.

 

Rz. 442

Da dem Haushaltsführenden kein konkretes, bezifferbares Einkommen entgeht, ist die Höhe des Schadens schwer zu berechnen. Er ist daher nach §§ 252 BGB, 287 ZPO zu schätzen. Dabei ist Folgendes zu berücksichtigen:

Der verletze Haushaltsführende muss darlegen und – im Rahmen der Beweiserleichterungen des § 287 ZPO – beweisen, welche Tätigkeiten er ohne den Unfall im Haushalt ausgeübt hätte und welche er infolge der konkreten gesundheitlichen Beeinträchtigungen infolge des Unfalls nicht mehr oder nur noch in reduziertem Umfang ausüben kann.

 

Rz. 443

Zunächst ist zu ermitteln, welche Arbeitsleistung der Haushaltsführende ohne den Unfall tatsächlich erbracht hätte (BGH VersR 74, 1016 = NJW 74, 1651; OLG Stuttgart VersR 77, 1038; OLG Frankfurt VersR 82, 981; OLG Stuttgart zfs 83, 166; OLG Frankfurt DAR 88, 24; OLG Oldenburg VersR 93, 1491). Insoweit besteht also ein Unterschied zu § 844 Abs. 2 BGB, wo es auf den rechtlich geschuldeten Unterhalt ankommt. Die Mithilfepflicht von Familienangehörigen kann daher nur insofern berücksichtigt werden, als diese Hilfe tatsächlich erbracht wurde.

 

Rz. 444

Dabei kommt es auch darauf an, ob eine Haushaltshilfe auch ohne den Unfall eingestellt worden wäre. Es besteht aber eine Art Vermutung, dass die tatsächliche Arbeitsleistung der rechtlich geschuldeten entspricht (OLG Stuttgart zfs 83, 166). Mit einzubeziehen sind auch Tätigkeiten, die nicht unterhaltsberechtigten Angehörigen der familiären Wirtschaftsgemeinschaft zugutekommen.

 

Rz. 445

Der verletzte Haushaltsführende ist allerdings im Rahmen seiner Schadenminderungspflicht verpflichtet, durch den Einsatz technischer Hilfsmittel, durch Umorganisation des Haushalts, durch andere Einteilung und – bei einem mitarbeitenden Partner – Umverteilung der Hausarbeit die Auswirkungen der Behinderung möglichst gering zu halten (vgl. Küppersbusch/Höher, Ersatzansprüche bei Personenschäden, 13. Auflage 2020, Rn 186). Insbesondere bei einem kurzfristigen Ausfall ist der Verletzte auch – soweit möglich – zur Verschiebung von Arbeiten verpflichtet (AG Göttingen SP 01, 236; AG Köln SP 96, 171).

 

Rz. 446

Sodann sind die Kosten einer Ersatzkraft in dem Umfange heranzuziehen, wie sie erforderlich wären, um den Ausfall der Hausfrau auszugleichen und den Haushalt in seinem bisherigen Standard aufrechtzuerhalten. Dabei spielt es im Prinzip keine Rolle, ob die Ersatzkraft tatsächlich eingestellt wird oder nicht, jedoch kann dies die Höhe des Schadensersatzes (brutto oder netto) beeinflussen (Küppersbusch/Höher, a.a.O.).

 

Rz. 447

Ist der Haushaltsführende auch in persönlichen Verrichtungen behindert, also Waschen, Körperpflege, Kleidung, selbstständiges Bewegen, Nahrungsaufnahme u.Ä., kommt zusätzlich noch ein Anspruch wegen erforderlicher Pflegeaufwendungen in Betracht. Hier kann es jedoch zu Überschneidungen kommen. Generell gilt: Soweit eine tatsächlich eingestellte Hilfs- oder Pflegekraft in beiden, nicht immer genau abgrenzbaren Arbeitsbereichen Haushaltsführung und Pflege tätig wird oder soweit dies dem erforderlichen Zeitaufwand für eine fiktive Hilfskraft zugrund...

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