Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Entscheidung vom 26.07.2021; Aktenzeichen 4 O 288/20) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das am 26.07.2021 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken (4 O 288/20) abgeändert und folgendermaßen neu gefasst:
"1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 5.000,- EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 26.02.2020 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.849,- EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 26.06.2020 zu zahlen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.100,51 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 04.09.2020 zu zahlen.
4. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin alle zukünftig entstehenden materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die auf den Sturz der Klägerin vom 26.02.2020 auf dem Gelände des Busbahnhofs der Stadt ... und die sich hieraus ergebenden Verletzungen zurückzuführen sind.
5. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen."
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen trägt die Beklagte.
III. Dieses Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Von der Darstellung des Sachverhalts wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1, 543 Abs. 1 Nr. 1, 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO abgesehen.
I. Die Berufung der Klägerin ist nach den §§ 511, 513, 517, 519 und 520 ZPO statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und mithin zulässig.
Die Berufung ist auch ganz überwiegend begründet.
1. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch gemäß § 839 Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 34 GG i. V. m. § 9 Abs. 3a SaarlStrG i. V. m. § 253 Abs. 1 und 2 BGB und §§ 252, 842 BGB auf Grund des streitgegenständlichen Unfallereignisses.
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. Senat, Urt. v. 27.03.2012 - 4 U 151/11 - 48 -, NVwZ-RR 2012, 833 - 835, juris Rdn. 25; Senat, Urt. v. 18.11.2021 - 4 U 10/21, n. v.) nimmt der Träger der Straßenbaulast - hier die Beklagte - gemäß § 9 Abs. 3a SaarlStrG die sich aus der Überwachung und Gewährleistung der Sicherheit der öffentlichen Straßen ergebenden Aufgaben als Amtspflicht in Ausübung hoheitlicher Tätigkeit wahr. Demnach obliegt es dem Träger der Straßenbaulast, die Straße in einem hinreichend sicheren Zustand zu erhalten und in geeigneter und objektiv zumutbarer Weise diejenigen Vorkehrungen zu treffen, die zur Herbeiführung und Erhaltung eines für die Benutzer hinreichend sicheren Zustands erforderlich sind (vgl. Senat, Urt. v. 07.03.2006 - 4 U 19/05 - 70 -, OLGR Saarbrücken 2006, 528 - 530, juris Rdn. 20; Senat, Urt. v. 27.03.2012 - 4 U 151/11, NZV 2012, 600, juris Rdn. 24; Senat, Urt. v. 18.11.2021 - 4 U 10/21, n. v.).
b) Die hoheitlich ausgeübte Verkehrssicherungspflicht bezüglich öffentlicher Straßen entspricht dabei inhaltlich der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht gemäß § 823 BGB (vgl. BGH, Urt. v. 18.12.1972 - III ZR 121/70, BGHZ 60, 54 - 64, juris Rdn. 7 und 10; Senat, Urt. v. 23.04.2020 - 4 U 73/18, n. v.; Senat, Urt. v. 18.11.2021 - 4 U 10/21, n. v.). Diese Amtspflicht besteht zugunsten Dritter, nämlich der Straßennutzer (vgl. MünchKomm(BGB)-Papier/Shirvani, 8. Auflage, § 839 BGB, Rdn. 327).
Der Umfang der Verkehrssicherungspflicht wird von der Art und Häufigkeit der Benutzung des Verkehrsweges und seiner Bedeutung maßgebend bestimmt. Sie umfasst die notwendigen Maßnahmen zur Herbeiführung und Erhaltung eines für den Benutzer hinreichend sicheren Straßenzustandes (vgl. BGH, Urt. v. 21.06.1979 - III ZR 56/79, VersR 1979, 1055 - 1056, juris Rdn. 9 f; BGH, Urt. v. 10.07.1980 - III ZR 58/79, NJW 1980, 2194 - 2196, juris Rdn. 17), wobei jedoch absolute Gefahrlosigkeit nicht gefordert werden kann. Diese kann in der Regel nicht erwartet werden und ist auch unter Einsatz zumutbarer Mittel nicht zu erreichen. Vielmehr sind die öffentlichen Verkehrswege grundsätzlich in dem Zustand hinzunehmen, wie sie sich dem Benutzer erkennbar darbieten, wobei sich der Benutzer den gegebenen Straßenverhältnissen anpassen muss (vgl. BGH, Urt. v. 10.07.1980 - III ZR 58/79, NJW 1980, 2194 - 2196, juris Rdn. 24).
Der Verkehrssicherungspflichtige muss daher in geeigneter und objektiv zumutbarer Weise alle, aber auch nur diejenigen Gefahren ausräumen und erforderlichenfalls vor ihnen warnen, die für den Benutzer, der die erforderliche Sorgfalt walten lässt, nicht erkennbar sind und / oder auf die er sich nicht oder nicht rechtzeitig einzustellen vermag (vgl. BGH, Urt. v. 10.07.1980 - III ZR 58/79, NJW 1980, 2194 - 2196, juris Rdn. 24; Senat, Urt. v. 27.10.2009 - 4 U 96/09 - 26, NJW-RR 2010, 602 - 604, juris Rdn. 30; Senat, Urt. v. 16.10.2014 - 4 U 168/13, juris Rdn. 43; Senat, Urt. v. 23.04.2020 - 4 U 73/18, n. v.; S...