Rz. 476
Hier ist es umstritten, ob der verletzte Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft auch die Kosten geltend machen kann, die dadurch entstehen, dass er nicht mehr zur Fremdversorgung in der Lage ist, also nicht mehr die Haushaltsführung für den Lebensgefährten bewerkstelligen kann.
Rz. 477
Der Verletzte, der einen Gesundheits- oder Körperschaden erleidet, hat grundsätzlich nach § 843 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Ersatz wegen der Beeinträchtigung seiner Erwerbsfähigkeit.
Rz. 478
Die Rechtsprechung billigt der verletzten Ehefrau einen Schadensersatzanspruch für die Einschränkung in der Haushaltsführung zu. Dieser Anspruch richtet sich auf den Kostenersatz für die Einstellung einer entsprechenden Arbeitskraft oder auf die fiktiven Kosten unter Anwendung der Lehre vom normativen Schaden, wenn eine solche Kraft nicht eingestellt wird. Es sind jedoch nicht nur die Kosten der Eigenversorgung zu ersetzen, sondern auch die der sonstigen Haushaltsführung.
Rz. 479
Ob diese Grundsätze auch auf die nichteheliche Lebensgemeinschaft übertragen werden können, wird unverändert lebhaft diskutiert (Schirmer, Nichteheliche Lebensgemeinschaft im Versicherungs- und Verkehrsrecht, DAR 2007, 1 ff.; Pardey, Die nichteheliche Lebensgemeinschaft im Versicherungs- und Verkehrsrecht, zfs 2007, 243 ff. und 303 ff.). Bei der Beurteilung, ob die Tätigkeit im Haushalt innerhalb einer Ehe als Erwerbstätigkeit einzuordnen ist, stellt der BGH in seinen Entscheidungen maßgeblich auf die rechtliche Verpflichtung aufgrund von Unterhaltspflichten ab (BGH NJW 1974, 41; BGH NJW 1962, 2248). Die Tätigkeit im Haushalt muss mit einer sonstigen Erwerbstätigkeit vergleichbar sein. Die Haushaltsführung ist einer solchen Tätigkeit aber nur vergleichbar, wenn mit ihr die gesetzliche Unterhaltspflicht nach § 1360 BGB erfüllt wird.
Rz. 480
In Tötungsfällen scheidet die Anwendbarkeit der §§ 844 Abs. 2 BGB, 10 Abs. 2 StVG aus, da es an dem in diesen Bestimmungen vorausgesetzten Entzug eines gesetzlichen Rechts auf Unterhalt fehlt (BGH, BGHZ 91, 357 = VersR 84, 936 = NJW 84, 2520; Pardey, DAR 94, 265). Der Kreis der Anspruchsberechtigten kann nicht ohne Weiteres im Wege der Analogie auf vertragliche Beziehungen erweitert werden, die einer sittlichen Pflicht oder einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht entsprechen, weil dies nicht Aufgabe der Rechtsprechung sein kann, sondern dem Gesetzgeber vorbehalten bleiben muss. Ausnahmeregelungen, wie die §§ 844 Abs. 2 BGB, 10 Abs. 2 StVG sie darstellen, können nicht erweitert ausgelegt werden und sind einer Analogie nicht zugänglich.
Rz. 481
Wenn dieser Ansatz zur Begründung eines Erwerbsschadens auf die nichteheliche Lebensgemeinschaft übertragen wird, muss ein Erwerbsschaden verneint werden, da eine entsprechende Unterhaltspflicht nicht besteht. Der Einsatz der Arbeitskraft für den Partner in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft erfolgt grundsätzlich zunächst einmal vollkommen freiwillig. Entscheidend ist, dass die Arbeit nach Belieben geleistet werden kann oder auch nicht. Daher wird die Vermögenssphäre des Verletzten nicht berührt und ein Schadensersatzanspruch bestehe nicht (OLG Nürnberg DAR 2005, 629; KG SVR 2011, 102). Diese Einschränkung der Ersatzpflicht wird auch damit begründet, dass der Kreis der Berechtigten eingeschränkt werden muss.
Rz. 482
Der wohl überwiegende Teil der Lehre und ein Teil der Rechtsprechung billigt dagegen dem verletzten nichtehelichen Lebensgefährten den Ersatz des Haushaltsführungsschadens zu (Pardey, Berechnung von Personenschäden, 4. Auflage, 2010, S. 267; ders., Die nichteheliche Lebensgemeinschaft im Versicherungs- und Verkehrsrecht, zfs 2007, 243 ff. und 303 ff.; Strätz, in: Staudinger, 2000. Anhang zu §§ 1297 ff., Rn 223: Grziwotz, Nichteheliche Lebensgemeinschaft. 3. Auflage 1999, § 18, S. 278 mit weiteren Nachweisen; AG Bad Säckingen FamRZ 1997, 293; LG Zweibrücken NJW 1993, 3207). Teilweise wird dies mit damit begründet, dass die nichtehelichen Lebensgefährten einvernehmlich gegenseitige Unterhaltsleistungen erbringen. Damit wird ein Vertragsverhältnis oder zumindest ein vergleichbares Verhältnis zwischen den Partnern unterstellt. Die einvernehmliche Führung des gemeinsamen Haushalts ist demnach als ein Äquivalent für die Unterhaltsleistungen des anderen Partners anzusehen. Damit wird eine Rechtspflicht zur Haushaltsführung konstruiert und ein Erwerbsschaden bejaht.
Rz. 483
Nach einer anderen Ansicht (Röthel, NZV 2001, 329) soll für die Begründung eines Schadens i.S.v. § 843 Abs. 1 Alt. 1 BGB die fassbare wirtschaftliche Beeinträchtigung des Verletzten in den Vordergrund gestellt werden. Eine solche ist unabhängig von einer vertraglichen oder gesetzlichen Verpflichtung zum Tätigwerden. Ausreichend ist, dass der Tätigkeit ein Vermögenswert zuzurechnen ist. Ein solcher Vermögenswert besteht schon, wie ein Vergleich mit § 252 BGB zeigt, wenn eine konkrete Entgeltaussicht besteht. Diese Entgeltaussicht bestehe gerade im Hinblick auf die vom anderen Partner im Gegenzug er...