Rz. 355
Nachstehend soll eine Auswahl an Einzelbeispielen für "vermehrte Bedürfnisse" aufgelistet werden (umfassende alphabethische Auflistung bei Schah Sedi/Schah Sedi, Das verkehrsrechtliche Mandat, Band 5: Personenschäden, § 3 Rn 304):
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Automatikgetriebe und behindertengerechte Kfz-Umrüstung, Sonderfahrzeug |
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erhöhte verletzungsbedingte Kfz-Mehrbetriebskosten |
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Aufzug |
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Begleitpersonen für Fahrten zum Arzt, Krankengymnastik, Konzerte, Urlaubsreisen etc. |
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Badezimmer-Sondereinrichtung |
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Kosten einer Begleit- und/oder Pflegeperson |
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Blindenhund samt Futter |
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Hilfskraft für die Gartenarbeit |
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Heizungs-, Wasser- und Strommehrverbrauch |
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Lifteinbau, Treppenlift |
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Lebensmittelmehrbedarf, Sonderernährung |
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WC-Sondereinrichtungen |
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höhere Versicherungsprämien |
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elektronische Schreib- und Lesehilfen |
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Kleidungsmehrbedarf (z.B. bei schweren Verletzungen an den Extremitäten) |
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Körperpflegemittelsonderbedarf |
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Kuren |
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orthopädische Hilfsmittel (ggf. Abzug für ersparte Eigenkosten, z.B. Schuhe) |
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Pflegekosten, Pflegeheim bzw. Pflegekraft, aber auch Pflegeleistungen der Familienangehörigen (siehe Rdn 371 ff.) |
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Privatunterricht für Schüler |
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behindertengerechter Umbau oder Rückbau einer Wohnung bzw. Neubau, soweit erforderlich und mit den Grundsätzen der Schadensminderungspflicht vereinbar. |
aa) Behindertengerechter Fahrzeugumbau
Rz. 356
Die Frage, inwieweit ein infolge eines Verkehrsunfalls Querschnittsgelähmter neben den Kosten für den behindertengerechten Umbau seines Pkw auch den Ersatz der Kosten für den Umbau seines Motorrades beanspruchen kann, hat der BGH in einem Fall verneint (BGH zfs 2004, 258 f.). Der Wunsch des Geschädigten, wieder nach Belieben zwischen der Benutzung seines Pkw und Motorrades wählen zu können, beruht nicht auf seinem Bedürfnis nach Wiederherstellung seiner früheren Mobilität, sondern entspricht seinem verständlichen und grundsätzlich auch berechtigten Bestreben nach möglichst weit gehender Wiederherstellung der ursprünglichen Lebensqualität. Der Geschädigte ist grundsätzlich so zu stellen, wie er vor dem Unfall stehen würde. Da dies bei irreversiblen körperlichen Beeinträchtigungen nicht möglich ist, hat der Schädiger dafür zu sorgen, dass die materielle Lebensqualität des Geschädigten nicht unter den früheren Standard sinkt (OLG Köln VersR 1988, 61).
Rz. 357
Dennoch hat der Geschädigte jedenfalls dann und in dem vom BGH entschiedenen Fall deshalb keinen Anspruch auf Ersatz der begehrten Umbaukosten, weil die mit der Querschnittslähmung verbundenen Beeinträchtigungen und Benachteiligungen, zu denen auch die entgangene Freude am Motorradfahren zählt, schon bei der Bemessung des an den Geschädigten in jenem Fall konkret gezahlten Schmerzensgeldes berücksichtigt worden ist.
Rz. 358
Der unfallbedingt auf die Benutzung eines behindertengerechten Fahrzeuges angewiesene Geschädigte hat darüber hinaus lebenslang Anspruch auf die Anschaffung eines dementsprechenden Spezialfahrzeuges einschließlich aller damit verbundenen Unterhaltungskosten. Gegenzurechnen sind allenfalls die ersparten Eigenkosten für den Transportvorteil. Solange keine anderweitigen Umstände in dem speziellen Fall vorliegen, errechnen sich diese allenfalls anhand von Busfahrkosten.
bb) Behinderungsbedingter bzw. räumlicher Mehrbedarf
Rz. 359
Benötigt der Geschädigte – z.B. als Querschnittsgelähmter – verletzungsbedingt die Ausstattung einer behindertengerechten Wohnung, so hat er Anspruch auf Zahlung aller damit verbundenen Kosten. Deren Höhe richtet sich zum einen nach der Erforderlichkeit und medizinischen Notwendigkeit, zum anderen aber auch nach der Angemessenheit. Ersparte Eigenaufwendungen und der "Sowiesobedarf" sind gegenzurechnen und abzusetzen.
Rz. 360
Tipp
Die Kosten für derartigen Mehrbedarf können nur durch einen für den Ausbau behindertengerechter Wohnungen spezialisierten Architekten oder Sachverständigen berechnet werden. Es macht keinen Sinn, über die Höhe derartiger Kosten lange mit der Assekuranz schriftlich zu korrespondieren.
Rz. 361
In jedem Falle steht ihm die Differenz zwischen der Miete einer "Normalwohnung" und einer "behindertengerechten Wohnung" zu.
Rz. 362
Derartige Kosten können naturgemäß mehrfach im Leben eines Geschädigten anfallen: Wegen Familienzuwachses ist eine neue, größere Wohnung erforderlich, das behindertengerechte Spezialfahrzeug muss im Rahmen des Üblichen gegen ein Neufahrzeug ausgetauscht werden.
Rz. 363
Der Geschädigte, dem derartiger Mehrbedarf im Rahmen vermehrter Bedürfnisse grundsätzlich im Rahmen einer Rente oder bedarfsorientierter wiederkehrender Leistungen zu erbringen ist, ist aber auch berechtigt, zum Ausgleich derartigen Mehrbedarfs die Zahlung eines Kapitalbetrages zu verlangen (OLG Stuttgart VersR 1998, 366). Dabei darf er vor allem diesen Mehrbedarf auch in der Weise befriedigen, dass er diesen Kapitalbetrag in das Haus seiner Eltern, die ihn betreuen, investiert. Für eine Kapitalabgeltung der vermehrten Bedürfnisse ist insbesondere dann Raum, wenn die einmalige Anschaffung eines Hilfsmittels das anhaltende vermehrte Bedürfnis ausreichend zu befriedigen in der Lage ist (...