Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Eingliederungshilfe. Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Hilfe zur Beschaffung eines Kraftfahrzeuges. Angewiesensein auf die Benutzung eines eigenen Kraftfahrzeuges. individueller Teilhabebedarf. nichtbehinderter Mensch als Vergleichsmaßstab. behindertengerechter Umbau eines Kraftfahrzeuges. Vorhandensein eines geeigneten Kraftfahrzeuges
Leitsatz (amtlich)
1. Zu den Voraussetzungen einer Kfz-Beihilfe im Rahmen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII.
2. Für das Merkmal des Angewiesenseins auf ein eigenes Kraftfahrzeug im Rahmen der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft ist das individuelle Teilhabebedürfnis des Leistungsempfängers zugrunde zu legen.
3. Ein Anspruch auf Kfz-Beihilfe besteht nur dann, wenn der individuelle Teilhabebedarf lediglich aufgrund der Behinderung nur mit einem eigenen Kfz gedeckt werden kann. Dies ist nicht der Fall, wenn das Angewiesensein auf ein Kfz durch die ungünstige Lage des Wohnortes begründet ist.
4. Ein Anspruch auf den behindertengerechten Umbau eines Kfz setzt in jedem Fall voraus, dass dem Leistungsempfänger ein hierzu geeignetes Fahrzeug zur Verfügung steht.
Orientierungssatz
Az beim BSG: B 8 SO 2/16 B
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Itzehoe vom 28. Mai 2013 wird zurückgewiesen.
Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Kfz-Beihilfe, einer Zusatzausstattung in Form der Umrüstung eines Kfz mit einem Automatikgetriebe sowie die Übernahme von Reparatur- und TÜV-Begutachtungskosten.
Die 1959 geborene, verheiratete Klägerin ist schwerbehindert; ihr ist ein Grad der Behinderung von 80 sowie das Merkzeichen G zuerkannt. Sie bezieht eine Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Am 24. Februar 2011 beantragte die Klägerin die Gewährung von Eingliederungshilfe zur Anschaffung eines Kraftfahrzeugs. Der bislang von ihr genutzte Golf III (Baujahr 1995) sei nicht weiter nutzbar. Der Wagen weise erhebliche Mängel auf, deren Reparatur aus wirtschaftlichen Gründen nicht lohne. Denn die voraussichtlichen Kosten überstiegen den Wert des Fahrzeugs erheblich. Sie sei aber regelmäßig auf die Nutzung eines Kfz angewiesen. So könne sie aufgrund ihrer Behinderung den öffentlichen Nahverkehr nicht nutzen. Für Arztbesuche, Einkäufe, Fahrten zur Krankengymnastik, zum Gutachter und zur Rechtsberatung sowie die Wahrnehmung von Terminen im Rahmen ihrer verschiedenen ehrenamtlichen Tätigkeiten benötige sie ein Auto. Außerdem übe sie inzwischen eine freiberufliche Tätigkeit im Umfang von etwa 10 Stunden in der Woche für den “...„ aus. Ihr selbständig tätiger Ehemann verfüge zwar über ein Fahrzeug, dieser sei aber beruflich stark eingebunden. Außerdem handele es sich dabei um einen Firmenwagen.
Am 7. März 2011 beantragte die Klägerin beim Beklagten zudem eine behindertengerechte Zusatzausstattung in Gestalt eines Automatikgetriebes.
Mit Schreiben vom 18. März 2011 beantragte die Klägerin schließlich die Erstattung angefallener Kosten für eine TÜV-Begutachtung am 1. März 2011 in Höhe von 89,70 Euro und eine provisorische Reparatur des Fahrzeugs durch ihren Ehemann in Höhe von 150,- Euro.
Mit Bescheid vom 21. März 2011 lehnte der Beklagte zunächst den Antrag der Klägerin auf Gewährung einer Kfz-Beihilfe ab. Es liege kein Nachweis darüber vor, dass es sich bei der Tätigkeit für den “...„ um eine zeitlich nachhaltige Beschäftigung handele. Zudem sei nicht ersichtlich, dass für diese Tätigkeit ein Kraftfahrzeug benötigt werde. Die weiteren, geltend gemachten Bedarfe fielen entweder in die Zuständigkeit der Krankenversicherung (Arztbesuche, Krankengymnastik) oder seien hinsichtlich ihrer Häufigkeit nicht ausreichend, um einen Anspruch auf eine Kfz-Beihilfe zu begründen. Für diese Anlässe könne die Klägerin zumutbar auf die Nutzung von Taxen oder Behindertenfahrdiensten verwiesen werden. Die Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse könne daher entfallen. Insoweit seien von der Klägerin aber auch unzureichende Nachweise erbracht worden.
Mit Schreiben vom 23. März 2011 erhob die Klägerin Widerspruch. Sie sei insbesondere wegen ihrer Arbeitstätigkeit auf ein Kfz angewiesen. Die Tätigkeit beim “...„ sei eine freiberufliche, so dass sie keine konkreten Arbeitszeiten nachweisen könne. Die Beschäftigung sei aber auf Dauer angelegt. Für die Durchführung von Recherchen, Besprechungen mit dem Auftraggeber oder die Teilnahme an Schulungen sei sie auf ein Fahrzeug angewiesen. Außerdem helfe sie ihrem Ehemann in dessen Handwerksbetrieb unentgeltlich.
Mit weiteren Bescheiden vom 27. April 2011 lehnte der Beklagte sowohl die Kostenübernahme für ein Automatikgetriebe wie auch die Erstattung von TÜV- und Reparaturkosten ab. Zwar sei die Klägerin medizinisch nicht in der Lage, ein Fahrzeug mit Schaltgetriebe zu verwenden, ein Anspruch auf eine Umrüstung auf Automatikgetriebe scheitere aber bereits dara...