Rz. 484

Ob ein Erwerbsschaden im Rahmen einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zuzuerkennen ist oder nicht, wird noch einige Zeit ungeklärt bleiben. Problematisch bleibt es nämlich, ob die nach einer Verletzung eines Haushaltführenden weggefallene Betreuung des Partners und der Kinder ersatzfähig ist. Weil hierzu eine gesetzliche Verpflichtung nicht bestanden hat, liegt es nahe, eine Gleichstellung mit der Erwerbsarbeit insoweit abzulehnen (OLG Düsseldorf VersR 92, 1418; KG SVR 2011, 102; zur Gleichstellung: BGH VersR 85, 356 = NJW 85, 735 = DAR 85, 119). Es muss auch dabei bleiben, dass der Verlust der Arbeitskraft als solcher nicht als Erwerbsschaden angesehen werden kann. Das Argument, der Haushaltsführende könnte (und würde) sonst durch eine andere entlohnte Tätigkeit auf dem Arbeitsmarkt Einkünfte erzielen, ist zweifelhaft, da ein Verzicht auf Erwerbseinkommen noch nicht mit dem konkreten Nachweis eines Erwerbsschadens gleichgesetzt werden kann.

 

Rz. 485

Ein erster Ansatzpunkt ergibt sich aber aus dem Empfang von Naturalleistungen (Wohnung, Beköstigung, Kleidungs- und sonstiger Unterhaltsbedarf), die geldwerten Charakter haben und die Gegenleistung für die erbrachte Haushaltsführung für die Partner der nicht ehelichen Lebensgemeinschaft sind. Damit wird die Haushaltsführung für fremde Personen zu einer entlohnten Tätigkeit. Eine Weitergewährung dieses Entgelts nach dem Schadensereignis trotz Ausfalls der Haushaltsführung entlastet den Schädiger nicht (§ 843 Abs. 4 BGB). Es besteht dann ein Ersatzanspruch auch im Umfang der Fremdversorgung, allerdings der Höhe nach begrenzt durch den Wert der empfangenen geldwerten Vorteile.

 

Rz. 486

Die Konstruktion einer Rechtspflicht zur Haushaltsführung über ein Einvernehmen oder eine stillschweigende Vereinbarung wird vielfach noch als eine bloße Fiktion angesehen (Schirmer, a.a.O. S. 9). Die Haushaltsführung im Rahmen einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft kann aber durchaus als eine freiwillige Leistung angesehen werden. Eine schlichte Aufgabenaufteilung etwa dergestalt, dass der eine Partner die Miete zahlt und der andere den Haushalt führt, kann durchaus in ein (stillschweigendes) Vertragsverhältnis umgedeutet werden. Problematisch ist vielleicht, ob die Partner einen entsprechenden Rechtsbindungswillen zum Ausdruck gebracht haben müssen. Das kann möglicherweise nur dann gelten, wenn die nichtehelichen Lebensgefährten einen – schriftlichen oder durch Zeugenbeweis nachgewiesenen mündlichen – Partnerschaftsvertrag abschließen. Jedenfalls aber dann, wenn die nichtehelichen Partner durch einen solchen Vertrag eine Rechtspflicht zur gemeinsamen Haushaltsführung begründen, ist der Ersatz des Haushaltsführungsschadens des verletzten Partners anzuerkennen.

 

Rz. 487

Außerdem kann durchaus eine fassbare wirtschaftliche Beeinträchtigung festgestellt werden (a.A. Schirmer, a.a.O. S. 10). Dies würde auch keineswegs zu einer "grenzenlosen Ausweitung der Ersatzpflicht" (Schirmer, a.a.O.) führen. In der Tat kann und muss mit dieser Begründung jede Tätigkeit erfasst werden, die freiwillig einem nahestehenden Menschen erbracht wird. Warum soll es den Schädiger entlasten, wenn der Geschädigte zufälligerweise (noch) nicht verheiratet ist, es sich im Übrigen jedoch mit der Ehe vollkommen identische Lebensgemeinschaft handelt?

 

Rz. 488

Somit ist der Ersatz von Haushaltsführungsschäden keinesfalls auf verletzte Ehegatten zu beschränken. Bei einer Verletzung des Haushaltführenden ist zweifelsfrei ein Ersatzanspruch wegen des Wegfalls der Eigenversorgung (unfallbedingter Mehrbedarf) und der Betreuung der von ihm abstammenden Kinder (Erwerbsschaden) gegeben (Hofmann, Haftpflichtrecht f. d. Praxis, München 1989, S. 486 Rn 83).

 

Rz. 489

Der Grundsatz, dass aus einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft keine Unterhaltsleistungen geschuldet werden, muss dringend durch die Rechtsprechung oder den Gesetzgeber modifiziert und den heutigen Gegebenheiten angepasst werden (so auch Pardey, a.a.O. S. 310). Das gilt nicht nur für den Fall der Regelung der Rechtsbeziehungen zwischen den Partnern durch einen Partnerschaftsvertrag.

 

Rz. 490

Bei dem Schaden wegen Beeinträchtigung der Hausarbeitsfähigkeit geht es um den Geldausgleich für die verletzungsbedingte Erschwernis bei Erledigung der Hausarbeit ohne wirtschaftlich ungünstige Veränderung im Vermögen der betroffenen Person. Letztlich hat der Schädiger für die geldwerte Differenz zwischen dem geplanten Zeiteinsatz und der verletzungsbedingt noch leistbaren Zeit aufzukommen.

 

Rz. 491

Zur unentgeltlichen Arbeit im Haushalt sollte die Rechtsprechung eine eigene Schadensgruppe anerkennen, die bei den Elementen eigennützig und fremdnützig in einer gewissen Nähe einerseits zum Mehrbedarf und andererseits zum Erwerbsschaden steht, ohne mit diesen Schadensgruppen identisch zu sein (Pardey, a.a.O. S. 310). Der Blick auf die Ehe als Verfassungsinstitut erleichtert die Antwort auf die Wertungsfrage, dass schadensrechtlich die Familienarbeit der Erwerbsarbeit gleichzustellen i...

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