Rz. 312

Der Verletzte muss den Vollbeweis des Eintritts der sog. Primärverletzung erbringen. Eine Beweislastumkehr gibt es nicht. Verletzungsstatistiken gibt es ebenfalls nicht. Also muss das Gericht nach den Regeln des Strengbeweises von Fall zu Fall beurteilen, ob und bei welcher kollisionsbedingten Geschwindigkeitsänderung (oder Aufprallgeschwindigkeit) es den Eintritt einer solchen Verletzung für wahrscheinlich hält.

 

Rz. 313

Es kommt also sehr darauf an, den Unfallhergang im Prozess so ausführlich wie möglich vorzutragen. Im Bereich der außergerichtlichen Schadensregulierung reicht in der Regel die Vorlage eines Arztattestes aus, wenngleich viele Versicherer zunehmend dazu übergegangen sind, bei geringen Fahrzeugschäden auf geringe kollisionsbedingte Geschwindigkeitsänderung zu schließen und den Ersatz von Schmerzensgeld mit dieser Begründung abzulehnen.

 

Rz. 314

Daher ist die richtige Auswahl des oder der interdisziplinären Sachverständigen von besonderer Wichtigkeit, womit oft schon die Vorentscheidung fällt, ob der Anspruch durchgesetzt werden kann oder nicht. Man sollte sich also vorher mit den zu bestellenden Sachverständigen über ihre Einstellung zu dieser Frage ausführlich unterhalten und diejenigen ablehnen, deren negative Einstellung zu dieser Frage bekannt geworden ist.

 

Rz. 315

Im außergerichtlichen Bereich ist ein solches interdisziplinäres Gutachten nur auf Kosten des Mandanten zu erhalten, es sei denn, dieses Gutachten spielt auch im Straf- oder Bußgeldverfahren gegen den Mandanten eine Rolle (was sicherlich nur sehr selten der Fall sein wird; zu denken ist allenfalls an den Rechtsgedanken des § 60 StGB). Dann kann ein solches Gutachten dort auf Kosten eines etwaig vorhandenen Rechtsschutzversicherers eingeholt werden (§ 5 Abs. 1 f aa ARB 94/2000/2008/2010 bzw. § 2 Abs. 1 e ARB 75, vgl. dazu § 13 Rdn 362).

 

Rz. 316

Selbst wenn ein HWS-Trauma zunächst unbestreitbar vorgelegen hat, können im Einzelfall die behaupteten besonders schweren und langwierigen Unfallfolgen nicht mehr unfallkausal sein (OLG Celle DAR 1998, 473). Das ist umso mehr der Fall, als das Unfallgeschehen selbst nicht schwerwiegend und die Verletzung nur relativ geringfügig war, die behaupteten Spätfolgen also in einem besonders krassen Missverhältnis dazu stehen. Bei der Beurteilung dieser Frage spielt die richterliche Überzeugung eine nicht unerhebliche Rolle. Eine übertriebene und unglaubwürdige Darstellung der angeblich eingetretenen Verletzungsfolgen schadet daher nur.

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