Rz. 636
Der Geschädigte hat zunächst einmal den Kausalzusammenhang zwischen Verletzung und Einkommensverlust zu beweisen. Er muss also nachweisen, "ob" er Erwerbseinkünfte gehabt hätte. Er kann auch etwaige Lohn- und Gehaltserhöhungen geltend machen. Hierfür ist er allerdings ebenfalls beweispflichtig, ebenso im Hinblick auf geltend gemachte Beförderungen.
Rz. 637
Soweit er sich also auf eine "Sollprognose" beruft, muss er alle dafür in Betracht kommenden Anknüpfungstatsachen darlegen und beweisen. Das kann z.B. durch den schon oben erwähnten "Vergleichsmann" (Arbeitskollege, der zum Unfallzeitpunkt eine gleichartige und gleichbezahlte Tätigkeit hatte) geschehen. Voraussetzung ist aber stets eine kontinuierliche berufliche Laufbahn in der Zeit vor dem Unfall.
Rz. 638
Dem Geschädigten stehen im Hinblick auf die Höhe seiner Einkünfte, also "wie" seine Erwerbseinkünfte aussehen würden, die Beweiserleichterungen gem. § 252 S. 2 BGB, § 287 ZPO zur Seite. Es genügt demnach der Nachweis einer gewissen Wahrscheinlichkeit eines zukünftigen Einkommensverlaufs (BGH VersR 1997, 366). Dabei ist der gewöhnliche Lauf der Dinge bei einem voraussichtlich durchschnittlichen Erfolg zu unterstellen. Verbleibende Risiken sind ggf. durch gewisse Abschläge auszugleichen (BGH VersR 2011, 229). Dem Tatrichter steht insoweit ein durchaus weites Ermessen zu, dem nur insofern Grenzen gesetzt sind, als er sich nicht über das Vorbringen zur Schadensschätzung hinwegsetzen darf. Er darf das Vorbringen des Geschädigten auch nicht etwa ohne den Ausweis eigener Sachkunde oder die Hinzuziehung sachverständiger Hilfe als unerheblich oder widerlegt ansehen (BGH a.a.O.). In aller Regel lässt sich der Verdienstausfallschaden nur mit Hilfe dieser Vorschriften ermitteln (KG DAR 2006, 149).
Rz. 639
Ist die voraussichtliche berufliche Entwicklung eines Geschädigten ohne das Schadensereignis zu beurteilen, so gebietet § 252 BGB eine Prognose entsprechend dem gewöhnlichen Lauf der Dinge, insbesondere auf der Grundlage dessen, was zur Ausbildung und bisherigen beruflichen Situation des Betroffenen festgestellt werden kann. Dabei muss der Geschädigte zwar soweit wie möglich konkrete Anhaltspunkte für diese Prognose dartun (und ggf. – in den Grenzen des § 287 ZPO – auch beweisen). Es dürfen jedoch insoweit keine zu hohen Anforderungen gestellt werden (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BGH NJW 1998, 1633 und VersR 2000, 233 m.w.N.) Dies gilt insbesondere dort, wo der Geschädigte – etwa weil er im Zeitpunkt des Schadensereignisses noch in der Ausbildung oder am Anfang seiner beruflichen Entwicklung stand – nur wenige konkrete Anhaltspunkte dazu liefern kann, wie sich sein Erwerbsleben voraussichtlich gestaltet hätte (BGH NJW 1998, 1633).
Rz. 640
Nach § 252 Satz 2 BGB muss der Geschädigte dabei diejenigen Umstände darlegen und ggf. auch beweisen, aus denen er nach dem gewöhnlichen Verlauf oder nach den besonderen Umständen des Falles seine Gewinnerwartung herleitet. Stehen diese Tatsachen zur Überzeugung des Gerichtes fest, so genügt es, wenn der Gewinn nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte (BGHZ 29. 393; BGH WM 1986, 622 f.; BGH NZV 1002, 210 f.), wobei solche Tatsachen, die selbst zum gewöhnlichen Verlauf der Dinge gehören, nicht bewiesen zu werden brauchen (BGH NJW 1986, 661 f.).
Rz. 641
Welche Tatsachen zum gewöhnlichen Lauf der Dinge gehören und welche Tatsachen so wesentlich sind, dass sie vom Kläger dargelegt und ggf. bewiesen werden müssen, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab und lässt sich daher nicht allgemeingültig festlegen (BGHZ 54, 45, 56). Es dürfen jedoch keine allzu strengen Anforderungen an das gestellt werden, was der Kläger vorbringen muss, um das Gericht zur Einholung eines Sachverständigengutachtens zu veranlassen (BGHZ 54, 45, 56; BGHZ 100, 50; Palandt-Grüneberg, BGB, § 252 Rn 4).
Rz. 642
Bei Unfällen vor Eintritt in das Berufsleben ist zu schätzen (§ 287 ZPO), wie der berufliche Weg des Verletzten nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Eigenschaften und den Bedingungen des Arbeitsmarktes voraussichtlich verlaufen wäre (Palandt-Grüneberg, BGB, § 252 Rn 17 m.w.N.). Besonders hohe Anforderungen sind an diese Darlegungspflicht jedoch nicht zu stellen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BGH VersR 2000, 233). Das gilt insbesondere dann, wenn das haftungsauslösende Ereignis den Geschädigten zu einem Zeitpunkt getroffen hat, als er noch in der Ausbildung oder am Anfang seiner beruflichen Entwicklung stand und deshalb noch keine Erfolge in der von ihm angestrebten Tätigkeit nachweisen konnte (BGH VersR 2000, 1521; BGH VersR 2011, 229).
Rz. 643
Zur Feststellung der Grundlagen für die Prognose über die voraussichtliche Entwicklung der Erwerbstätigkeit des Geschädigten ohne das Unfallereignis ist grundsätzlich nicht nur auf den Zeitpunkt des Schadensereignisses abzustellen. Die Situation im Unfallzeitpunkt ist lediglich einer der Prognosefaktoren für die künftige Entwicklung. Bei der Prognose müsse...