Rz. 81
Die Teilnahme am Versteigerungstermin durch einen Vertreter der WEG (d.h. im Normalfall: Durch einen Rechtsanwalt) ist nicht unbedingt nötig. Der WEG kann es gleichgültig sein, wer den Zuschlag erhält; nennenswert beeinflussen kann sie es ohnehin nicht. Ohne Teilnahme am Termin muss die WEG allerdings ein Risiko infolge der (schwer verständlichen) Bestimmung des § 85a Abs. 3 ZVG in Kauf nehmen. Worum es geht, zeigt das folgende
Rz. 82
Beispiel
Die WEG macht privilegierte RK-2-Hausgeldforderungen i.H.v. 5.000,00 EUR geltend; der Verkehrswert der Wohnung beträgt 100.000,00 EUR, die erstrangige Grundschuld der X-Bank beläuft sich auf 80.000,00 EUR, die Gerichtskosten 3.000,00 EUR. Im Versteigerungstermin ist die WEG nicht vertreten. Es erscheint der Vertreter der X-Bank, bietet 3.000,00 EUR und erhält den Zuschlag! Grund: Der X-Bank gehen 8.000,00 EUR vor. Sie fällt also in voller Höhe ihrer Forderung (80.000,00 EUR) aus. Die Summe von Gebot und Ausfall ergibt 83.000,00 EUR, also mehr als die Hälfte des Verkehrswerts; in diesem Fall kann und muss gem. § 85a Abs. 3 ZVG der Zuschlag erfolgen. Die X-Bank fällt zwar mit ihrer Forderung aus, im Gegenzug erhält sie aber die Wohnung fast kostenlos; die WEG geht leer aus.
Rz. 83
Oft wird dieser Fall nicht vorkommen, denn i.d.R. werden anwesende andere Bieter zumindest so weit mitbieten, dass aus dem Erlös die Ansprüche der WEG bedient werden. Will die WEG sich darauf nicht verlassen, kann sie zunächst versuchen, eine Absprache mit dem zuständigen Rechtspfleger zu treffen: Denn dieser muss den Zuschlag nicht sofort im Termin erteilen, sondern kann dies auch später tun und der Gemeinschaft erforderlichenfalls die Information und Möglichkeit geben, die Einstellung des Verfahrens zu bewilligen, bevor die Wohnung gem. § 85a Abs. 3 ZVG zugeschlagen wird. Lässt sich der Rechtspfleger darauf nicht ein und will die Gemeinschaft jegliches Risiko vermeiden, muss sie sich im Termin vertreten lassen. Denn der Vertreter kann bis zum Schluss der Bietestunde (diese endet mit dem Aufruf des letzten Gebots "zum Ersten, zum Zweiten und zum Dritten", § 73 Abs. 2 ZVG) die Einstellung des Verfahrens gem. § 30 ZVG bewilligen. Und selbst nach diesem Zeitpunkt kann der Vertreter die Versagung des Zuschlags gem. § 33 ZVG beantragen, spätestens bevor der Rechtspfleger den Zuschlag erteilt.
Rz. 84
Praxistipp
Bislang ist nicht bekannt geworden, dass ein Bankenvertreter gem. § 85a Abs. 3 ZVG "zugeschlagen" hätte. Das Risiko ist ersichtlich gering. Alleine deswegen muss der WEG-Vertreter also nicht unbedingt am Versteigerungstermin teilnehmen.
Rz. 85
Der erfolgreichen Versteigerung der Wohnung folgt die Erlösverteilung, die nach der Reihenfolge der Rangklassen des § 10 Abs. 1 ZVG vorgenommen wird. Die Gemeinschaft erhält auf diese Weise zunächst ihre Auslagen für die Zwangsversteigerung (Gerichtskosten und Sachverständigenvorschuss) zurück, ferner in Rangklasse 1 etwaige in einem parallelen Zwangsverwaltungsverfahren gezahlte und noch nicht erstattete Vorschüsse (die natürlich angemeldet werden müssen, sonst können sie nicht berücksichtigt werden); und schließlich in Rangklasse 2 die Hausgeldrückstände und Rechtsanwaltskosten. Die Auszahlung auf die Ansprüche aus Rangklasse 2 darf aber 5 % des Verkehrswertes der Wohnung nicht übersteigen; das ist das Maximum des Auszahlungsbetrags.
Rz. 86
Soweit die Ansprüche der Gemeinschaft die 5 %-Verkehrswert-Grenze übersteigen, werden sie bei der Erlösverteilung automatisch in Rangklasse 5 berücksichtigt, dabei aber meistens nicht zum Zuge kommen, weil die vorrangigen Grundschulden den Erlös ausschöpfen. Manchmal liegt den Grundschulden aber gar keine entsprechende Forderung mehr zugrunde (Fachjargon: sie valutieren nicht mehr in voller Höhe), wenn nämlich der (ehemalige) Wohnungseigentümer das grundschuldgesicherte Darlehen schon mehr oder weniger weit zurückgezahlt hat. Dann ist der Grundschuldgläubiger (im Folgenden: "die Bank") übersichert; dem Schuldner steht ein Anspruch auf Rückgewähr der Grundschuld zu, der aus dem (der Grundschuld zugrunde liegenden) Sicherungsvertrag abgeleitet wird. Die Bank darf bei der Erlösverteilung trotzdem den Nennbetrag der Grundschuld anmelden und wird entsprechend berücksichtigt. Somit erzielt sie einen Übererlös, dessen Auszahlung der Schuldner (ehemalige Wohnungseigentümer) beanspruchen kann. Weil die Grundschuld durch den Zuschlag nach § 91 Abs. 1 ZVG erlischt, setzt sich der Rückgewähranspruch am Versteigerungserlös fort, soweit dieser auf die Grundschuld entfällt. Hier eröffnet sich der Gemeinschaft eine Möglichkeit zur Realisierung ihrer Forderungen: Sie kann und sollte (vorsorglich) alle in Betracht kommenden Ansprüche pfänden.
Rz. 87
Muster 9.9: Pfändung des Anspruchs auf Grundschuldrückgewähr und Mehrerlös
Muster 9.9: Pfändung des Anspruchs auf Grundschuldrückgewähr und Mehrerlös
(Im Vorspann steht der übliche Text für einen Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses)
Wegen di...