Rz. 48

Es kommt zur ersten mündlichen Verhandlung vor dem Einzelrichter, das persönliche Erscheinen der Klägerin ist angeordnet. Der Fahrer des gegnerischen Unfallfahrzeuges wird nicht geladen.

 

Rz. 49

Der Richter eröffnet die mündliche Verhandlung und gibt zunächst der Klägerin das Wort. Sie soll sich zu den Umständen des Unfalls äußern. Die Klägerin erklärt, dass sie als Beifahrerin in dem Pkw ihrer Freundin gesessen habe, als plötzlich von rechts der beklagte Fahrer mit seinem Pkw gekommen und unter Missachtung der Vorfahrt direkt in die Beifahrerseite hinein gefahren sei. Sie erklärt, von der Feuerwehr aus dem Fahrzeug herausgeschnitten worden zu sein, da sich die Beifahrertür nicht mehr habe öffnen lassen und sie wegen der starken Schmerzen das Fahrzeug nicht über die Fahrerseite habe verlassen können. Sie habe wahnsinnige Schmerzen und Todesängste erlitten und sei wohl auch einige Zeit bewusstlos gewesen, als sie dann im Krankenhaus wieder zu sich gekommen sei. Neben diversen kleineren Verletzungen seien nun über 6 Monate nach dem Unfallereignis eine "unbrauchbare" rechte Schulter und ein ebenso "unbrauchbarer" rechter Fuß übrig geblieben. Sie habe eine Rotatorenmanschettenruptur rechts und eine Verletzung des rechten oberen und unteren Sprunggelenkes erlitten, was bereits operativ versteift worden sei. Insgesamt sei sie dreimal operiert worden und sie würde dreimal pro Woche zu irgendwelchen Arztterminen und Therapieterminen gehen. Die Klägerin schildert, ständig unter Schmerzen zu leiden, Probleme bei der Hausarbeit zu haben, weil sie sich nicht mehr uneingeschränkt fortbewegen könne und sie im Grunde alles nun mit dem linken Arm machen müsse (sie sei Rechtshänderin). Wegen der ständigen Schmerzen, auch nachts, könne sie schlecht schlafen, was sie sehr zermürben würde. Sie bedauert, kaum noch Zeit für die Kinder zu haben, wo doch ihr Ehemann 4 Tage pro Woche (einschließlich der Nächte) als Handelsvertreter ortsabwesend sei. In dem wenigen Nachtschlaf habe sie schlimmste Albträume (Flashbacks) und sie sei völlig gerädert am nächsten Morgen. Sie sei an der Grenze ihrer physischen und psychischen Leistungsfähigkeit. Sie habe Angst vor dem Autofahren, müsse aber die Kinder zum Reiten und Musikunterricht fahren. Derzeit würde das noch ihre Freundin übernehmen. Sie wisse aber nicht, wie lange das so noch gut gehen würde. Weil nun das Krankengeld ausgelaufen sei und ein Rentenverfahren gegen die Deutsche Rentenversicherung vor dem Sozialgericht noch lange nicht entschieden sei, wäre sie nun völlig verzweifelt, da sie doch vom Versicherer nur die Hälfte ihres Erwerbsschadens ersetzt bekäme. Dieses Geld wäre aber im Familieneinkommen vollständig eingeplant, so dass sich die Eheleute nun hätten entscheiden müssen, die Raten für den Hauskredit auszusetzen. Aber aufgeschoben bedeute nicht aufgehoben. Sie habe große Zukunftsängste und das Gefühl, alles sei ihr nun zu viel. Sie fühle sich mit diesen Verletzungen nicht anerkannt und gedemütigt, weil sie von Arzt zu Arzt laufen müsse und gerade im Verfahren vor dem Sozialgericht die Gutachter ihre Beschwerden negieren würden. Sie müsse immer "funktionieren" mit den Kindern und dem Haushalt – am liebsten möchte sie gar nicht weiter leben. Dann bricht sie in Tränen aus, wobei ihr der eigene Rechtsanwalt ein Taschentuch reicht und leise tröstende Worte spricht, um sie wieder zu beruhigen. Der Vorsitzende maßregelt die Klägerin, "für Gefühle sei kein Platz bei Gericht – es gehe nur um knallharte Fakten". Er möchte jetzt zum Sachverhalt zurückkommen und fasst den entscheidungserheblichen unstreitigen und streitigen Sachverhalt mündlich zusammen, wobei er keinerlei Anmerkungen sowie Änderungswünsche von den Parteien bei den Formulierungen zulässt. Danach verhandeln die Prozessbevollmächtigten streitig zur Sache und stellen die Anträge. Am Schluss der mündlichen Verhandlung ergeht ein Beweisbeschluss des Inhaltes, wonach Prof. Dr. med. X von der Uniklinik Y ein Gutachten zur Arbeitsfähigkeit der Klägerin erstellen soll. Der Klägerin wird zugleich aufgegeben, einen Vorschuss in Höhe von 2.000,00 EUR für ein Sachverständigengutachten zur Arbeitsfähigkeit der Klägerin zur Gerichtskasse einzuzahlen.

 

Rz. 50

Die Rechtsschutzversicherung zahlt umgehend den Vorschuss ein, so dass der Gutachtenauftrag erteilt wird. Zwei Monate nach dem Beweisbeschluss kommt es zum Untersuchungstermin der Klägerin. Das Gericht erinnert dann den Sachverständigen noch zweimal an dessen Gutachtenerstellung.

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