Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausschluss der Partei mit Sachverständigenbeweis bei verspäteter Vorschusseinzahlung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zahlt eine Partei den angeforderten Vorschuss für die Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht fristgerecht ein und holt sie diese Zahlung auch nicht so zeitig nach, dass eine Verzögerung nicht eintritt, kann das Gericht die Partei mit dem Beweismittel ausschließen.

2. Die sich aus § 379 Satz 2 ZPO ergebenden Folgen einer nicht erfolgten Vorschusseinzahlung können nicht durch eine "Flucht in die Säumnis" beseitigt werden. Insbesondere folgt aus § 342 ZPO nicht etwa, dass das Gericht einen neuen Beweisbeschluss erlassen oder eine neue Frist zur Einzahlung setzen muss.

3. Das Gericht ist nicht verpflichtet, die Sitzung zu unterbrechen, um der Partei im Einspruchstermin die Möglichkeit zu geben, den fehlenden Vorschuss in bar herbei zu schaffen.

 

Normenkette

ZPO §§ 342, 379, 402

 

Verfahrensgang

LG Bonn (Urteil vom 06.07.2015; Aktenzeichen 9 O 477/12)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Bonn vom 06.07.2015 - 9 O 477/12 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

Das vorliegende Urteil und die angefochtene Entscheidung sind vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin begab sich im Jahr 2007 aufgrund von durch einen Autounfall ausgelösten Schmerzen in Nacken und Hinterkopf und wegen eines Spannungsgefühls im Gesicht in die Praxis des Beklagten. Der Beklagte ist niedergelassener Facharzt für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie. Die Klägerin berichtete, schon vor dem Unfall einen nur eingeschränkten Mundschluss gehabt zu haben. Der Beklagte diagnostizierte eine Dysgnathie mit tiefem Biss und riet zu einer Korrektur der Kieferfehlstellung. Nach Aufklärung der Klägerin fand am 22.09.2008 eine Umstellungsosteotomie des Unterkiefers statt.

Die Klägerin hat behauptet, der Beklagte habe bei dem kieferchirurgischen Eingriff Behandlungsfehler begangen. Er habe die osteosynthetischen Fixierungsschrauben fehlerhaft im Canalis mandibulae sinister positioniert und dadurch den Trigeminusgesichtsnerv verletzt. Infolge des Eingriffs habe sie vielfältige gesundheitliche Beeinträchtigungen erlitten, die bis zum heutigen Tage fortbestünden. Die Mundöffnung sei stark limitiert, was zu Schwierigkeiten bei der Nahrungsaufnahme und bei der Zahnpflege führe. Es habe sich eine arthröse Entwicklung des linken Unterkiefergelenks mit schwer deformierter Abflachung des linken Unterkieferköpfchens eingestellt. Sie leide an fast unerträglichen chronischen Schmerzen im Bereich des Kiefers und sei auf eine analgetische Medikation angewiesen, die mittlerweile zu einer toxischen Knochenmarksschädigung geführt habe. Darüber hinaus leide sie unter erheblichen Nacken- und Schulterschmerzen als Folge einer Fehlhaltung des Kopfes, die sie zur Korrektur der Kieferschieflage einnehme. Seit Januar 2012 befinde sie sich in Psychotherapie bei einer auf Schmerzpatienten spezialisierten Psychologin.

Die Klägerin hat beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, ihr ein angemessenes, den Betrag von 155.000,00 EUR nicht unterschreitendes Schmerzensgeld nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten oberhalb des jeweils maßgeblichen Basiszinssatzes seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

2. den Beklagten zu verurteilen, ihr für den Zeitraum seit Rechtshängigkeit eine monatliche Schmerzensgeldrente in Höhe von 1.000,00 EUR zu zahlen, dies vierteljährlich im Voraus jeweils am 1.1., 1.4., 1.7. und 1.10. eines jeden Jahres,

3. festzustellen, dass der Behandlungsfehler im Übrigen zum Fortfall sämtlicher Honoraransprüche des Beklagten gegen die Klägerin führt, soweit diese nicht durch den Krankenversicherer übernommen worden waren,

4. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, alle künftigen aus dem Behandlungsfehler resultierenden materiellen sowie immateriellen Schäden der Klägerin zu tragen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Er hat Behandlungsfehler bestritten. Er habe den nervus alveolaris inferior aus dem Kanal verlegt und eine Neurolyse durchgeführt, bevor er die Fixierungsschrauben in den Nervenkanal gesetzt habe. Ein Zusammenhang zwischen der Behandlung und der von der Klägerin beklagten Trigeminusneuralgie bestehe nicht.

Wegen der Einzelheiten des streitigen Vorbringens der Parteien und der tatsächlichen Feststellungen des LG wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil (Bl. 174 ff d.A.) Bezug genommen.

Das LG hat die Erhebung von Beweis durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens durch Beschluss angeordnet und der Klägerin aufgegeben, einen Auslagenvorschuss in Höhe von 3.000,- EUR binnen vier Wochen ab Zugang...

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