Leitsatz (amtlich)
1. Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisantrags verstößt gegen das Prozessgrundrecht aus Art. 103 Abs. 1 GG, wenn diese im Prozessrecht keine Stütze mehr finden.
2. Die Nichterhebung eines Sachverständigenbeweises wegen pflichtwidrig verspäteter Zahlung des Auslagenvorschusses ist durch die verfahrensrechtlichen Regelungen zur Durchführung der Beweisaufnahme in §§ 402, 379 Satz 1, 356 ZPO nicht gedeckt, wenn der Umstand der verspäteten Einzahlung des Auslagenvorschusses nicht kausal für eine eintretende Verzögerung war.
Normenkette
GG Art. 103; ZPO §§ 296, 356, 379, 402
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 2-27 O 369/09) |
Gründe
I. Die Klägerin begehrt Schadensersatz wegen mangelhafter Werkleistungen des Beklagten bei einer von ihm vorgenommenen Kunststoffbeschichtung eines Küchenbodens in der von der Klägerin betriebenen Gaststätte. Wegen der notwendigen Mangelbeseitigung schlossen die Parteien am 17.11.2005 eine Vereinbarung, auf deren Grundlage die Klägerin vom Beklagten Schadensersatz i.H.v. 22.656,64 EUR begehrt. Das LG hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Diesem Urteil die folgende Verfahrensgeschichte zugrunde:
Nach Eingang der Klage am 25.9.2006 ordnete das LG das schriftliche Vorverfahren an und terminierte am 14.5.2007 Termin zur Güteverhandlung auf den 21.9.2007. Nach mündlicher Verhandlung verkündete das erstinstanzliche Gericht am 12.10.2007 einen Hinweisbeschluss und sodann nach Anordnung des schriftlichen Verfahrens unter dem 29.11.2007 einen Hinweis- und Beweisbeschluss, auf Grund dessen durch Sachverständigengutachten Beweis über die vom Beklagten behaupteten Mangelursachen erhoben werden sollte. Im Beweisbeschluss heißt es danach:
"III. Die weitere Beweiserhebung zur Erforderlichkeit der einzelnen Schadenspositionen bleibt zunächst vorbehalten.
IV. Die IHK O1 soll um die Benennung eines geeigneten Sachverständigen ersucht werden.
V. Die Beauftragung des Sachverständigen ist davon abhängig, dass der Beklagte einen Kostenvorschuss i.H.v. 1.200 EUR einzahlt."
In den folgenden zwei Monaten förderte das LG das Verfahren nicht weiter; insbesondere wurde die Verfahrensakte nicht an die IHK O1 zwecks Benennung eines geeigneten Sachverständigen weitergeleitet. Am 28.1.2008 erinnerte das LG den Beklagten an die Einzahlung des Kostenvorschusses hinsichtlich der Beauftragung des Sachverständigen und setzte ihm mit Beschluss vom 12.2.2008 gem. § 356 ZPO erfolglos eine Frist von 10 Tagen zur Einzahlung des Vorschlusses. Nach Dezernentenwechsel wurde Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 04. 04.2008 bestimmt. Nach Zustellung der Ladung bezahlte der Beklagte den Auslagenvorschuss am 20.3.2008 und rechtfertigte die verspätete Zahlung damit, dass es ihm aufgrund der finanziellen Verhältnisse nicht möglich gewesen sei, die Einzahlung des Vorschusses innerhalb der gesetzten Frist zu bewerkstelligen. Dabei verwies seine anwaltliche Bevollmächtigte wegen der prozessualen Behandlung der Verspätung ausdrücklich auf den Beschluss des BVerfG vom 5.5.1987 (1 BvR 903/85, BVerfGE 75, 302 ff.). Gleichwohl verkündete das LG im Anschluss an die mündliche Verhandlung das der Klage stattgebende Urteil und führte zur Begründung aus, der Beklagte habe den ihm obliegenden Beweis für eine fehlende Verantwortlichkeit für die Mängel nicht geführt, da er den Kostenvorschuss für das einzuholende Sachverständigengutachten verspätet eingezahlt habe. Diese Verspätung habe zur Folge, dass der Beklagte mit dem Beweis ausgeschlossen sei, weil eine Beweiserhebung nunmehr durch die dann erforderliche Terminsaufhebung das Verfahren verzögern würde; insoweit komme es nicht auf den mutmaßlichen Gang des Verfahrens bei rechtzeitiger Einzahlung, sondern darauf an, ob es im konkreten Verfahrensstand zu einer nicht ganz unerheblichen Verzögerung komme.
Gegen dieses ihm am 21.4.2008 zugestellte Urteil richtet sich die am 21.5.2008 eingelegte und innerhalb bis zum 21.7.2008 verlängerter Frist begründete Berufung des Beklagten.
Der Beklagte verfolgt weiterhin die Klageabweisung und begehrt hilfsweise Aufhebung und Zurückverweisung an das Gericht der ersten Instanz. Er rügt, dass das LG in mehrfacher Hinsicht sein Recht auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt habe. Es habe insbesondere den Verzögerungsbegriff der ZPO verkannt und im Übrigen materiell und verfahrensrechtlich zu Unrecht auch das Bestreiten der Klageforderung sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach als nicht erheblich angesehen.
Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil.
II. Die an sich statthafte, auch form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
Zu Recht rügt die Klägerin die Richtigkeit und Vollständigkeit der erstinstanzlichen Tatsachenfeststellung (§§ 513, 529 ZPO).
Das LG hat verfahrensfehlerhaft von der Erhebung des Beweises durch Einholung eines Sachverständigengutachtens abgesehen und damit den Beklagten in seinem grundrechtsgleichen Recht aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt.
1. Nach der ...