Dr. iur. Wolfram Viefhues
Rz. 20
Indem die bisherige Formulierung "kann" im § 124 ZPO durch ein "soll" ersetzt worden ist, wird die vom Gesetzgeber gewünschte Verschärfung der Aufhebungsmöglichkeiten deutlich. Grundsätzlich ist daher bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 124 kein Raum für ein gerichtliches Ermessen.
Rz. 21
In § 124 Abs. 1 Nr. 2 ZPO wird klargestellt, dass die Aufhebung auch erfolgen soll, wenn die Partei im Nachverfahren auf Verlangen des Gerichts gemäß § 120a Abs. 1 Satz 3 und Absatz 4 ZPO die Erklärung nur ungenügend abgibt, weil sie auf Nachfragen des Gerichts nicht oder nur ungenügend antwortet oder die Angaben in der Erklärung nicht glaubhaft macht.
Rz. 22
Kommt die Partei einer konkreten Aufforderung zur Vorlage bestimmter, im Einzelnen benannter und/oder zur Abgabe einer Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse im Prozesskostenhilfe-Prüfungsverfahren nach § 120a Abs. 1 S 3 ZPO trotz Aufforderung und entsprechender Hinweise des Arbeitsgerichts nicht in angemessener Zeit nach, ist eine Aufhebung der Prozesskostenhilfebewilligung wegen Verletzung der Mitwirkungspflichten gerechtfertigt.
Rz. 23
Als weiterer ausdrücklicher Grund zur Aufhebung der Prozesskostenhilfe wurde in den Katalog des § 124 ZPO der Verstoß gegen die Verpflichtung zur ungefragten Information des Gerichts über wesentliche Verbesserungen der Einkommensverhältnisse aufgenommen.
OLG Stuttgart, Beschl. v. 8.1.2019 – 8 WF 273/18
Zitat
Ein bedürftiger Beteiligter kann sich im Rahmen des Verfahrens über die Aufhebung der Verfahrenskostenhilfebewilligung nicht mit Erfolg darauf berufen, er sei davon ausgegangen, sein Verfahrensbevollmächtigter werde eine Änderung seiner Wohnanschrift dem Gericht mitteilen. Der Zweck der Mitteilungspflicht, die Erreichbarkeit des bedürftigen Beteiligten durch das Gericht sicherzustellen, kann nur erreicht werden, wenn der bedürftige Beteiligte eingetretene Änderungen selbst mitteilt, aktiv dafür Sorge trägt, dass sein Verfahrensbevollmächtigter eingetretene Änderungen dem Gericht weitergibt oder anderweitig – substantiiert vorzutragende – Maßnahmen trifft, um seine jederzeitige Erreichbarkeit durch das Gericht sicherzustellen.
Rz. 24
Praxistipp:
Nicht nur das Unterlassen einer Änderungsmitteilung kann zu einer Aufhebung führen, sondern auch eine zwar erstattete, aber inhaltlich unrichtige Änderungsmitteilung.
Eine auf § 124 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO gestützte Aufhebung setzt voraus, dass der Beteiligte die Erklärung nach den § 120a Abs. 1 S. 3 ZPO nicht oder nur ungenügend abgegeben hat. Ungenügend sind die Angaben auch dann, wenn sie nicht glaubhaft gemacht sind.
Rz. 25
Die Einschränkung auf absichtliche und grob nachlässige Pflichtverletzungen entspricht den subjektiven Voraussetzungen für eine Aufhebung gemäß § 124 Absatz 1 Nummer 2 ZPO. Schuldhaftes Handeln in Form von Vorsatz oder grober Nachlässigkeit ist erforderlich, einfache Fahrlässigkeit genügt nicht.
Rz. 26
BAG, Beschl. v. 18.8.2016 – 8 AZB 16/16
Zitat
§ 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO n.F. ist dahin auszulegen, dass die Aufhebung der Prozesskostenhilfebewilligung auch im Fall einer nicht unverzüglichen Mitteilung eines Anschriftswechsels oder einer wesentlichen Verbesserung der wirtschaftlichen Lage der Partei voraussetzt, dass die Partei eine unverzügliche Mitteilung absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unterlassen hat.
Die Partei handelt nicht schon dann grob nachlässig, wenn sie ihre daraus erwachsenen Verpflichtungen schlicht vergisst oder ihnen schlicht nicht nachkommt. Die schlichte Verletzung der in § 120a Abs. 2 ZPO n.F. bestimmten Mitteilungspflichten indiziert noch keine grobe Nachlässigkeit.
OLG Brandenburg, Beschl. v. 6.2.2017 – 13 WF 19/17
Zitat
1. Bei der unterlassenen Mitteilung einer Anschriftenänderung an das Amtsgericht können Zweifel an der groben Fahrlässigkeit des Beteiligten bestehen, wenn dieser im Bewilligungsverfahren durch ein Rechtsanwalt vertreten wurde, der ihm mit der Bewilligung beigeordnet wurde.
2. In atypischen Einzelfällen eröffnet § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO für die Sanktion einer unterlassenen Änderungsmitteilung im Überprüfungsverfahren einen Ermessensspielraum.
3. Fehlt im Überprüfungsverfahren (§ 120a ZPO) eine erschwerte Kenntniserlangung einer Adressänderung oder ist sie auf eine schuldhafte Missachtung höchstrichterlicher Vorgaben zu Einbeziehung des Rechtsanwalts in den Überprüfungsvorgang zurückzuführen, so ist eine Atypik zu bejahen und innerhalb des damit eröffneten Ermessens auch die mit der Rückforderung verbundene Härte nunmehr im Rahmen der Ermessensausübung zu beachten.
OLG Karlsruhe, Beschl. v. 14.2.2017 – 18 WF 239/16, juris
Zitat
1. Teilt ein Beteiligter eine Änderung seiner Anschrift oder eine wesentliche Verbesserung seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht unverzüglich mit, führt allein dies noch nicht zu einer Aufhebung der Verfahrenskostenhilfebewilligung nach § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO. Hinzukommen muss, dass die Verzögerung oder das Unterlassen der Mitteilung ...