Dr. iur. Wolfram Viefhues
Rz. 43
Letztlich entscheidende Frage ist allerdings, ob die Kündigung des Mandates bzw. der Widerruf der Vollmacht verfahrensrechtlich relevante Auswirkungen auf das laufende gerichtliche Verfahren haben. Ist dies nicht der Fall, ist weiterhin an den – bisherigen – Anwalt wirksam zuzustellen.
Rz. 44
Dabei ist einmal relevant, dass der Widerruf der Vollmacht im Außenverhältnis zum Gericht erst dann wirksam werden kann, wenn dieser Widerruf dem Gericht angezeigt worden ist. Der Anwalt muss also umgehend dem Gericht den Widerruf seiner Vollmacht anzeigen. Dies ist formlos möglich. Solange dem Gericht kein Widerruf seiner Vollmacht angezeigt wurde, sind Zustellungen auch im Verfahren über die Änderung/Aufhebung der Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe an ihn vorzunehmen.
Rz. 45
Sobald diese Anzeige erfolgt ist, erlischt die Prozessvollmacht im Außenverhältnis ex nunc mit der Folge, dass der bisherige Verfahrensbevollmächtigte seine Stellung als Ansprechpartner für Gericht und Gegner vollständig verliert.
Rz. 46
Fraglich ist allerdings, ob in Verfahren mit Anwaltszwang (Scheidungsverbund, Familienstreitsachen, §§ 114, 112 FamFG) Besonderheiten gelten.
In Verfahren mit Anwaltszwang kann sich der Anwalt auch nicht durch Niederlegung des Mandats seinen Verpflichtungen entziehen, da sowohl dem Gegner als auch dem Gericht gegenüber nach § 87 I ZPO die Vollmacht des bisherigen Anwalts erst durch die Anzeige der Bestellung eines neuen Anwaltes Wirksamkeit entfaltet.
Allerdings gilt diese Regelung nur für das eigentlich dem Anwaltszwang unterliegende Hauptverfahren, nicht dagegen für selbstständige Nebenverfahren, in denen der Beteiligte selbst handeln kann. Solche selbstständige Nebenverfahren sind das Kostenfestsetzungsverfahren und das Streitwertbeschwerdeverfahren.
Rz. 47
Da im Verfahren über die Verfahrenskostenhilfe auch in Ehesachen und Familienstreitverfahren kein Anwaltszwang besteht (§ 114 Abs. 4 Nr. 5 FamFG), wird vertreten, dass die Anzeige des Erlöschens des Vollmacht allein ausreicht, weitere Zustellungen an den bisherigen Anwalt zu verhindern. Dann müsste das Gericht von diesem Zeitpunkt an mit dem Beteiligten direkt kommunizieren.
OLG Karlsruhe v. 2.6.2017 – 18 WF 302/14
Zitat
Das OLG führt dann weiter aus, dass eine andere Beurteilung sich möglicherweise ergeben könnte, wenn die Antragstellerin selbst das Mandat ihres Verfahrensbevollmächtigten gekündigt hätte. Dann hätte die Zustellung mangels Fortbestehens der Vollmacht unmittelbar an die Antragstellerin erfolgen müssen. § 87 ZPO stünde dem nicht entgegen, da weder das Verfahrenskostenhilfeverfahren noch das vorliegende Hauptsacheverfahren dem Anwaltszwang unterliegt.
OLG Bamberg, Beschl. v. 22.2.2017 – 2 WF 18/17
Zitat
Der Anwaltszwang in einer Unterhaltssache als Familienstreitsache nach § 114 FamFG betrifft auch das diesbezügliche Vollstreckungsverfahren nach den §§ 120 FamFG, 888 ZPO.