Dr. iur. Wolfram Viefhues
Rz. 19
Zitat
Aufhebung der Bewilligung § 124 ZPO
(1) Das Gericht soll die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben, wenn
1. die Partei durch unrichtige Darstellung des Streitverhältnisses die für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe maßgebenden Voraussetzungen vorgetäuscht hat;
2. die Partei absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtige Angaben über die persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht oder eine Erklärung nach § 120a Abs. 1 Satz 3 nicht oder ungenügend abgegeben hat;
3. die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe nicht vorgelegen haben; in diesem Fall ist die Aufhebung ausgeschlossen, wenn seit der rechtskräftigen Entscheidung oder sonstigen Beendigung des Verfahrens vier Jahre vergangen sind;
4. die Partei entgegen § 120a Absatz 2 Satz 1 bis 3 dem Gericht wesentliche Verbesserungen ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse oder Änderungen ihrer Anschrift absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtig oder nicht unverzüglich mitgeteilt hat;
5. die Partei länger als drei Monate mit der Zahlung einer Monatsrate oder mit der Zahlung eines sonstigen Betrages im Rückstand ist.
(2) Das Gericht kann die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben, soweit die von der Partei beantragte Beweiserhebung aufgrund von Umständen, die im Zeitpunkt der Bewilligung der Prozesskostenhilfe noch nicht berücksichtigt werden konnten, keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder der Beweisantritt mutwillig erscheint.
1. Voraussetzung der Aufhebungsentscheidung
Rz. 20
Indem die bisherige Formulierung "kann" im § 124 ZPO durch ein "soll" ersetzt worden ist, wird die vom Gesetzgeber gewünschte Verschärfung der Aufhebungsmöglichkeiten deutlich. Grundsätzlich ist daher bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 124 kein Raum für ein gerichtliches Ermessen.
Rz. 21
In § 124 Abs. 1 Nr. 2 ZPO wird klargestellt, dass die Aufhebung auch erfolgen soll, wenn die Partei im Nachverfahren auf Verlangen des Gerichts gemäß § 120a Abs. 1 Satz 3 und Absatz 4 ZPO die Erklärung nur ungenügend abgibt, weil sie auf Nachfragen des Gerichts nicht oder nur ungenügend antwortet oder die Angaben in der Erklärung nicht glaubhaft macht.
Rz. 22
Kommt die Partei einer konkreten Aufforderung zur Vorlage bestimmter, im Einzelnen benannter und/oder zur Abgabe einer Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse im Prozesskostenhilfe-Prüfungsverfahren nach § 120a Abs. 1 S 3 ZPO trotz Aufforderung und entsprechender Hinweise des Arbeitsgerichts nicht in angemessener Zeit nach, ist eine Aufhebung der Prozesskostenhilfebewilligung wegen Verletzung der Mitwirkungspflichten gerechtfertigt.
Rz. 23
Als weiterer ausdrücklicher Grund zur Aufhebung der Prozesskostenhilfe wurde in den Katalog des § 124 ZPO der Verstoß gegen die Verpflichtung zur ungefragten Information des Gerichts über wesentliche Verbesserungen der Einkommensverhältnisse aufgenommen.
OLG Stuttgart, Beschl. v. 8.1.2019 – 8 WF 273/18
Zitat
Ein bedürftiger Beteiligter kann sich im Rahmen des Verfahrens über die Aufhebung der Verfahrenskostenhilfebewilligung nicht mit Erfolg darauf berufen, er sei davon ausgegangen, sein Verfahrensbevollmächtigter werde eine Änderung seiner Wohnanschrift dem Gericht mitteilen. Der Zweck der Mitteilungspflicht, die Erreichbarkeit des bedürftigen Beteiligten durch das Gericht sicherzustellen, kann nur erreicht werden, wenn der bedürftige Beteiligte eingetretene Änderungen selbst mitteilt, aktiv dafür Sorge trägt, dass sein Verfahrensbevollmächtigter eingetretene Änderungen dem Gericht weitergibt oder anderweitig – substantiiert vorzutragende – Maßnahmen trifft, um seine jederzeitige Erreichbarkeit durch das Gericht sicherzustellen.
Rz. 24
Praxistipp:
Nicht nur das Unterlassen einer Änderungsmitteilung kann zu einer Aufhebung führen, sondern auch eine zwar erstattete, aber inhaltlich unrichtige Änderungsmitteilung.
Eine auf § 124 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO gestützte Aufhebung setzt voraus, dass der Beteiligte die Erklärung nach den § 120a Abs. 1 S. 3 ZPO nicht oder nur ungenügend abgegeben hat. Ungenügend sind die Angaben auch dann, wenn sie nicht glaubhaft gemacht sind.
Rz. 25
Die Einschränkung auf absichtliche und grob nachlässige Pflichtverletzungen entspricht den subjektiven Voraussetzungen für eine Aufhebung gemäß § 124 Absatz 1 Nummer 2 ZPO. Schuldhaftes Handeln in Form von Vorsatz oder grober Nachlässigkeit ist erforderlich, einfache Fahrlässigkeit genügt nicht.
Rz. 26
BAG, Beschl. v. 18.8.2016 – 8 AZB 16/16
Zitat
§ 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO n.F. ist dahin auszulegen, dass die Aufhebung der Prozesskostenhilfebewilligung auch im Fall einer nicht unverzüglichen Mitteilung eines Anschriftswechsels oder einer wesentlichen Verbesserung der wirtschaftlichen Lage der Partei voraussetzt, dass die Partei eine unverzügliche Mitteilung absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unterlassen hat.
Die Partei handelt nicht schon dann grob nachlässig, wenn sie ihre daraus erwachsenen Verpflichtungen schlicht vergisst oder ihnen s...