Rz. 109

In § 17 Abs. 1 lit. c ARB 2010 sind Obliegenheiten geregelt, die es dem Versicherungsnehmer auferlegen, Kostenerhöhungen zu vermeiden.

Die Obliegenheit zur Vermeidung unnötiger Kosten beinhaltet für den Versicherungsnehmer die Verpflichtung, die effektivste und kostengünstigste prozessuale Möglichkeit zu wählen.

 

Rz. 110

Als Beispiele für zu vermeidende Kosten erhöhende Maßnahmen sind zu nennen:[80]

Erhebung einer selbstständigen Klage statt Klageerweiterung,[81]
Erhebung mehrerer Einzelklagen statt gemeinsame Klage gegen mehrere Gesamtschuldner,[82]
kein Rechtsmittel gegen falsche Kostenentscheidungen oder überhöhte Streitwertfestsetzungen einlegen,[83]
gesonderte Verfahren gegen den Haftpflichtversicherer und den Schadenverursacher trotz eines Direktanspruches gegen den Versicherer,[84]
mehrere Einzelvergleiche, ggf. durch Verbindung Rechtsstreitigkeiten zum Zwecke eines Vergleichsabschlusses anstelle eines Gesamtvergleichs,[85]
unentschuldigtes Fernbleiben des VN im Termin zur Parteivernehmung,[86]
Erhebung einer Feststellungsklage vor Abschluss des gegnerischen Klageverfahrens,[87]
Stellung eines Weiterbeschäftigungsantrags im Kündigungsschutzprozess vor den Arbeitsgerichten vor Gütetermin.[88]
 

Rz. 111

Die Abstimmungsobliegenheit für den Abschluss eines Vergleiches gilt nicht bei jeder Fallgestaltung.[89]

Ist kein überzeugender Grund für zwei getrennte Klagen gegeben, so liegen infolge der getrennten Klagen eine unnötige Erhöhung der Kosten und damit eine Obliegenheitsverletzung vor.[90]

In dem Fall, in dem der VN verschiedene Ärzte und Krankenhäuser, die ihn nacheinander behandelt haben, wegen eines eingetretenen Schadens (z.B. Querschnittlähmung) auf einen einheitlichen Schadenbetrag in Anspruch nimmt, ist er nicht verpflichtet, zunächst die Rechtskraft des Verfahrens gegen das zuletzt behandelnde Krankenhaus abzuwarten.[91] Umgekehrt gilt aber die Verpflichtung zur Vermeidung unnötiger Kosten. Der VN ist verpflichtet gegenüber Gesamtschuldnern diese gemeinschaftlich und nicht in getrennten Prozessen zu verklagen. Hierbei ist bei unterschiedlichen Gerichtsständen an die Möglichkeit zu denken, das zuständige Gericht nach § 36 Abs. 1 ZPO bestimmen zu lassen.[92]

 

Rz. 112

Eine unnötige Kostenerhöhung kann gegeben sein und damit die Verletzung einer Obliegenheit, wenn eine separate Klage erhoben wird statt einer Klageerweiterung.[93] Zur Verteidigertätigkeit und der insoweit in Betracht kommenden Obliegenheit zur Vermeidung unnötiger Kosten ist festzustellen, dass keine Pflicht des Verteidigers besteht, den Einspruch erst innerhalb der 2-Wochen-Frist (VV 4141) zurückzunehmen.[94] Erledigt sich das gerichtliche Verfahren durch Rücknahme des Einspruchs gegen den Strafbefehl, so erhält der Rechtsanwalt die Zusatzgebühr gem. VV 4141.[95] Demgegenüber sieht das AG Köln einen Pflichtenverstoß des Verteidigers, wenn dieser gegen den Bußgeldbescheid vorsorglich Einspruch einlegt, obwohl eine ordnungsgemäße Beratung nach Akteneinsicht während der Einspruchsfrist hätte erfolgen können und alsdann der Einspruch zurückzunehmen gewesen wäre mit der Folge, dass die von der Rechtsschutzversicherung dem VN zu erstattenden gesetzlichen Gebühren des beauftragten Anwaltes um solche Ansprüche zu mindern sind, die dem VN gegen seinen Verteidiger aus schuldhafter Verletzung des Anwaltsvertrages zustehen.[96]

Der Rechtsschutzversicherer kann den Versicherungsnehmer nicht auf die Erhebung einer Sammelklage im Verbund mit anderen Versicherungsnehmern verweisen.[97] Gleiches gilt bei einem Streit aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung. Es stellt keinen Obliegenheitsverstoß in der Rechtsschutzversicherung dar, wenn bei Streit um die Leistungspflicht aus einer BUZ Klage auf Zahlung der geschuldeten Rente insgesamt einschließlich der in der Zukunft zu erbringenden Leistungen erhoben wird. Der Versicherungsnehmer kann nicht darauf verwiesen werden, die Klage hinsichtlich im Lauf des Prozesses fällig werdender Monatsrenten immer wieder zu erhöhen.[98] Demgegenüber zwingt die Pflicht zur Vermeidung unnötiger Kosten den Versicherungsnehmer, von der Erweiterung einer anhängigen Leistungsklage um einen negativen Feststellungsantrag abzusehen (Entscheidung zu Schrottimmobilienfällen).[99]

[80] Terbille/Bultmann, § 27 Rn 334; vgl. auch LG Essen, VersR 2009, 979; LG Essen r+s 2009, 238.
[81] Schirmer, r+s 1999, 45, 46; OLG Hamm r+s 2002, 21.
[82] LG Oldenburg r+s 1993, 146.
[83] AG Berlin-Charlottenburg VersR 1993, 1519.
[85] OLG Karlsruhe zfs 1986, 303.
[86] LG Braunschweig r+s 1994, 20.
[87] AG Hildesheim r+s 1993, 147.
[88] LG Köln zfs 1997, 231; OLG Oldenburg zfs 2003, 145.
[89] BGH VersR 1982, 391; a.M. AG München r+s 1979, 90, und für den Fall einer Deckungszusage mit der Maßgabe der Abstimmung eines etwaigen Vergleichs AG Hannover r+s 1996, 450.
[90] AG Frankfurt a.M. zfs 2000, 171 = r+s 2000, 205.
[93] OLG Hamm NVersZ 2001, 370; vgl. auch Corn...

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