Dr. iur. Holger Bremenkamp, Dr. Fernanda Bremenkamp
Rz. 61
Der Hersteller hat Ersatz für die durch seinen Sorgfaltspflichtverstoß geschädigten Rechtsgüter und für Folgeschäden zu leisten, einschließlich des immateriellen Schadens. Ersatz für das unbrauchbar gewordene Produkt als solches wird dagegen nur unter besonderen Voraussetzungen gewährt.
Rz. 62
Erstmals auf Schäden am Produkt selbst wurde die Haftung des Herstellers für Eigentumsverletzungen im Schwimmerschalter-Urteil für den Fall erstreckt, in dem der Mangel einer funktionell begrenzten Komponente das Gesamtprodukt zerstört (sog. weiterfressender Mangel oder Weiterfresserschaden). Später wurde das Kriterium der funktionellen Begrenztheit der fehlerhaften Komponente durch das der "Stoffgleichheit" zwischen Endschaden und ursprünglichem Mangelunwert bereits beim Erwerb des Produkts ergänzt. Danach ist der Schutz der Käufererwartung, Wert und Nutzungsmöglichkeit einer mangelfreien Sache zu erhalten (Nutzungs- oder Äquivalenzinteresse), grundsätzlich der Vertragsordnung überlassen: Für deliktische Schadensersatzansprüche ist kein Raum, wenn der Schaden dem Unwert entspricht ("stoffgleich" ist), der der Sache wegen ihrer Mangelhaftigkeit schon beim Erwerb anhaftete. Ist dagegen der Schaden nicht mit der den Mangel ausmachenden Sachentwertung stoffgleich, kann das Integritätsinteresse des Eigentümers verletzt und damit die deliktische Haftung eröffnet sein. Das hat die Rechtsprechung zuletzt beispielsweise bei mangelhaften Reifen angenommen, die zu einem Unfallschaden am Fahrzeug selbst geführt haben. Weiterfresserschäden sind auch bei fehlerhafter Software denkbar, etwa wenn es aufgrund eines Fehlers des Steuerungsprogramms zur Überhitzung eines elektrischen Geräts kommt.
Rz. 63
Diese Rechtsprechung wurde in der Folge präzisiert: So soll eine Eigentumsverletzung vorliegen, wenn der ursprüngliche Mangel des Produkts – wäre gezielt nach ihm gesucht worden – technisch hätte aufgespürt und behoben werden können und weder die Fehlersuche noch die Mangelbeseitigung einen wirtschaftlich unverhältnismäßigen Aufwand an Zeit und Kosten erfordert hätten. Keine deliktische Einstandspflicht sollte dagegen eintreten, wenn der Mangel das Gesamtprodukt von vornherein insgesamt wertlos oder unbrauchbar gemacht hatte oder die Behebung des Mangels technisch oder in wirtschaftlich vertretbarer Weise nicht möglich war. Weiter wurde klargestellt, dass der Schaden, der aufgrund eines Instruktionsfehlers am Produkt selbst entsteht, stets in die deliktische Produzentenhaftung fällt.
Rz. 64
Später wurde als ersatzpflichtige Eigentumsverletzung bereits eine Beschädigung angesehen, die unvermeidbar mit der Reparatur einer fehlerhaften Komponente am ansonsten einwandfreien Gesamtprodukt einhergeht, etwa durch einen beschädigenden Ausbau des mangelhaften Einzelteils. Unabhängig von einer Reparatur und deren Wirtschaftlichkeit soll nach der Rechtsprechung schon die Verbindung mangelhafter mit einwandfreien Teilen zu einer Gesamtsache eine Eigentumsverletzung darstellen, wenn die Gesamtsache mangelhaft wird und die zuvor unversehrt im Eigentum des Herstellers stehenden einwandfreien Teile durch ihre Verbindung mit fehlerhaften anderen Teilen unbrauchbar und damit wertlos werden. Erfasst wird damit der Produktionsschaden. Diese dogmatisch problematische Rechtsprechung bedeutet eine erhebliche Ausweitung der deliktischen Zuliefererhaftung, die angesichts der gegenläufigen Tendenz zu vertraglichen Risikobegrenzungen insbesondere bei Zulieferteilen mit vergleichsweise geringer Wertschöpfung auch rechtspolitisch fragwürdig ist.