Björn Retzlaff, Alexander Madorski
Rz. 90
Das Berufungsgericht ist mit Name und Ort zu bezeichnen, damit die Rechtsmittelschrift das zuständige Gericht fristgemäß erreicht. Der Rechtsanwalt muss die Berufungsschrift deshalb selbst auf ihre Richtigkeit überprüfen. Dazu gehört neben der Bezeichnung der Parteien auch die Bezeichnung des zuständigen Gerichts. Der an ein unzuständiges Gericht adressierte Schriftsatz geht erst dann beim zuständigen Gericht ein, wenn er nach Weiterleitung durch das zunächst angegangene Gericht tatsächlich in die Verfügungsgewalt des zuständigen Gerichts gelangt. Da das Gesetz nur auf den tatsächlichen Vorgang des Eingangs abhebt, kommt es für die Rechtzeitigkeit des Eingangs nicht darauf an, aus welchen außerhalb des anzurufenden Gerichts gelegenen Gründen sich der Eingang verzögert. In einem solchen Fall kommt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur dann in Betracht, wenn der fristgebundene Schriftsatz so zeitig bei dem mit der Sache befasst gewesenen Gericht eingeht, dass die fristgerechte Weiterleitung an das Rechtsmittelgericht im ordentlichen Geschäftsgang ohne Weiteres erwartet werden kann. Geht der Schriftsatz dann entgegen dieser Erwartung nicht fristgerecht beim Rechtsmittelgericht ein, muss nach dieser Rechtsprechung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unabhängig davon gewährt werden, auf welchen Gründen die fehlerhafte Einreichung beruht. Ist mit einer fristgerechten Weiterleitung im normalen Geschäftsgang nicht zu rechnen, ist im Hinblick auf die Kontrollpflichten des Rechtsanwalts wegen dessen Verschulden die Wiedereinsetzung zu versagen.
Der Berufungsschriftsatz wie auch alle anderen Schriftsätze in Anwaltsprozessen können seit dem 1.1.2022 wirksam nur als elektronische Dokumente übermittelt werden (§ 130d ZPO). Dazu muss das elektronische Dokument gerade auf dem für das Berufungsgericht eingerichteten EGVP (elektronisches Gerichts- und Verwaltungspostfach) eingegangen sein. Dass der Schriftsatz beim EGVP des Erstgerichts eingeht, welches beim selben Dienstleister unterhalten wird wie das EGVP des Berufungsgerichts, ist nicht ausreichend. Für den rechtzeitigen Eingang des Dokuments beim Berufungsgericht ist es ausreichend, dass das Dokument auf dem maßgeblichen System gespeichert worden ist. Ob es von dort aus rechtzeitig an andere Rechner innerhalb des Gerichtsnetzes weitergeleitet oder von solchen Rechnern abgeholt werden konnte, ist unerheblich. Die Dokumente sind nach § 2 Abs. 1 ERVV grundsätzlich im Dateiformat PDF zu übermitteln oder, wenn bildliche Darstellungen in diesem Dateiformat nicht verlustfrei wiedergegeben werden können, zusätzlich im Dateiformat TIFF. Ist das in einem nicht zulässigen Format (etwa docx) eingereichte Dokument für das Gericht im konkreten Fall lesbar und bearbeitungsfähig, führt ein lediglich formaler Verstoß gegen die ERVV nicht zu einer Formunwirksamkeit des Eingangs. Geht das Gericht davon aus, dass das bei ihm eingereichte elektronische Dokument wegen unzulässigen Dateiformats formunwirksam ist, hat es dies dem Absender unverzüglich mitzuteilen. Reicht der Absender das Dokument unverzüglich formwirksam nach und macht glaubhaft, dass das nachgereichte Dokument mit dem ursprünglichen Dokument inhaltlich übereinstimmt, gilt das Dokument als zum Zeitpunkt der früheren Einreichung eingegangen (§ 130a Abs. 6 ZPO), sodass sich die Stellung eines Wiedereinsetzungsantrags erübrigt.