Dr. Peter Stelmaszczyk, Stefan Wegerhoff
Rz. 528
Wie für die Geschäftsführungsbefugnis gilt auch für die Vertretung der OHG der Grundsatz der Selbstorganschaft. Die gesellschaftsrechtliche Vertretung ist dabei den Gesellschaftern höchstpersönlich vorbehalten. Da die Vertretungsregelungen die Beziehung der OHG nach außen betreffen, sind sie nicht in dem Maß dispositiv wie die Regeln über die Geschäftsführung. Durch die gesetzlichen Regeln werden die Interessen der Handelspartner der OHG berücksichtigt. Leitbild des § 124 Abs. 1 HGB ist die Einzelvertretung durch jeden der Gesellschafter, die nach außen auch nicht durch den Widerspruch der anderen verhindert werden kann.
a) Zulässige Vertretungsmodelle
Rz. 529
Der Gesellschaftsvertrag kann andere Vertretungsmodelle vorsehen, die vom Leitbild der Einzelvertretung abweichen. Dabei sind die Gesellschafter nicht frei in der Gestaltung des Gesellschaftsvertrages, sondern an die Vorgaben in § 124 HGB gebunden. Im Hinblick auf § 15 HGB muss die (geänderte) Vertretungsregelung in das Handelsregister eingetragen werden (vgl. § 106 Abs. 2 Nr. 3 HGB), da sich ansonsten ein Dritter, der die abweichende Vertretungsregelung nicht kennt, auf die Geltung des Normfalls der Einzelvertretung berufen kann. Die vertretungsberechtigten Gesellschafter müssen ihre Namensunterschriften unter Angabe der Firma in öffentlich beglaubigter Form (§ 12 Abs. 1 HGB) zum Handelsregister einreichen (§ 106 Abs. 7 HGB).
aa) Ausschluss einzelner Gesellschafter von der Vertretung
Rz. 530
Gem. § 124 Abs. 1 HGB können einzelne Gesellschafter von der Vertretung ausgeschlossen werden. Aus dem Grundsatz der Selbstorganschaft folgt, dass nicht alle Gesellschafter ausgeschlossen werden dürfen. Die übrigen Gesellschafter bleiben zur Einzelvertretung berechtigt. Bereits aus der Bezeichnung einiger Gesellschafter im Gesellschaftsvertrag als "zeichnungsberechtigt" oder Ähnliches folgt nach allgemeinen Auslegungskriterien der Ausschluss der Übrigen von der Vertretungsmacht. Häufig werden pauschale Regelungen über die "Geschäftsführung" sowohl die gesellschaftsrechtliche Regelung der Geschäftsführung als auch der Vertretung bezeichnen.
Hinweis
Die Vertretungsregelungen sind bedingungs- und befristungsfeindlich. Soll ein Gesellschafter dennoch nur zeitweise oder für einen bestimmten Anlass die OHG vertreten, so bietet es sich an, ihn von der gesellschaftsrechtlichen Vertretung vollständig auszuschließen und ihm stattdessen – wie einem "Nicht-Gesellschafter" – rechtsgeschäftliche Vollmacht zu verleihen, die entsprechend den Bedürfnissen ausgestaltet werden kann.
Ist es streitig, ob einem Gesellschafter Vertretungsmacht zukommt, ist eine Feststellungsklage (§ 256 ZPO) zwischen den Gesellschaftern zulässig. I.d.R. ist aber die Klage eines Gesellschafters gegen einen Geschäftspartner der OHG auf Feststellung des Bestehens seiner Vertretungsmacht wegen des Fehlens eines feststellbaren Rechtsverhältnisses unzulässig.
bb) Gesamtvertretung
Rz. 531
Nach § 124 Abs. 2 Satz 1 HGB kann im Gesellschaftsvertrag auch eine Gesamtvertretung angeordnet werden. Dabei sind verschiedenste Kombinationen denkbar. Es können alle Gesellschafter zur gemeinsamen Gesamtvertretung bestellt werden, einzelne gemeinsam oder auch ein Gesellschafter zur Gesamtvertretung mit einem anderen, der selber aber einzelvertretungsberechtigt ist. Die Passivvertretung wird gem. § 124 Abs. 6 HGB unabhängig von dem gewählten Vertretungsmodell durch die vertretungsberechtigten Gesellschafter in Einzelvertretung wahrgenommen. Ist die Geschäftsführung nach Geschäftsbereichen aufgeteilt, bietet es sich an, dass der Gesellschafter, der auf dem jeweiligen Gebiet allein geschäftsführungsbefugt ist, auch einzelvertretungsberechtigt für seinen Bereich ist. Bei ansonsten vorliegender Gesamtvertretung bietet § 126 Abs. 2 HGB dazu die Möglichkeit. Zu beachten ist aber, dass die Delegation nach dieser Vorschrift nicht eintragungsfähig in das Handelsregister ist, weil es sich dabei nicht um eine generelle Regelung der Vertretungsmacht handelt.
cc) Gemischte Gesamtvertretung
Rz. 532
Schließlich sieht § 126 Abs. 3 HGB die Möglichkeit vor, dass die Vertretung durch einen oder mehrere Gesellschafter zusammen mit einem oder mehreren Prokuristen zu erfolgen hat. Zulässig ist eine solche Regelung aber nur neben einem Vertretungsmodell ausschließlich durch Gesellschafter. In der Praxis wird häufig die Vertretung entweder durch zwei Gesellschafter oder durch jeweils einen Gesellschafter zusammen mit einem Prokuristen vorgesehen. Das Prinzip der Selbstorganschaft gebietet es, dass die gemischte Gesamtvertretung bei nur einem vertretungsberechtigten Gesellschafter unzulässig ist, weil ansonsten jeder Weg zu einer Alleinvertretung der Gesellschaft nur durch die Gesellschafter versperrt wäre.