Dr. Peter Stelmaszczyk, Stefan Wegerhoff
Rz. 558
Wie bei der Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis oder der Vertretungsmacht verlangt § 134HGB im Interesse der Klarheit für die Ausschließung ein gerichtliches Gestaltungsurteil. Voraussetzung für den Erlass des Urteils ist zunächst gem. §§ 134, 139 HGB i. das Vorliegen eines wichtigen Grundes (vgl. dazu oben Rdn 527 ff.) in der Person des auszuschließenden Gesellschafters. § 134 HGB nennt dazu zwei nicht abschließende Kriterien:
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der Gesellschafter verletzt eine ihm nach dem Gesellschaftsvertrag obliegende wesentliche Verpflichtung vorsätzlich oder grob fahrlässig; |
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dem Gesellschafter wird die Erfüllung einer solchen Verpflichtung unmöglich. |
Beispiele
Veruntreuung, unberechtigte Entnahmen, objektiv begründeter Verdacht grober Unredlichkeit, Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot (§§ 112, 113 HGB), Umstände auch ohne Verschulden können genügen, z.B. Krankheit oder Ehescheidung.
Rz. 559
Zur Feststellung des Vorliegens eines wichtigen Grundes bedarf es einer umfassenden Interessenabwägung der Lage bei Abschluss der letzten mündlichen Verhandlung. Dabei sind die gegenseitigen Verfehlungen unter Berücksichtigung der Folgen für beide Seiten gegen die Verdienste um das Unternehmen abzuwägen. Zu beachten ist jedoch, dass ein wichtiger Grund dann nicht gegeben ist, wenn in der Person auch nur eines verbleibenden Mitgesellschafters ebenfalls ein Ausschließungsgrund vorliegt, denn dann würde sich der Ausschluss des einen ausschließlich als Vertreibung darstellen. Es bleibt in einem solchen Fall lediglich die Auflösung gem. § 139 HGB. Gründe aus der Privatsphäre eines Gesellschafters reichen regelmäßig nicht für dessen Ausschluss aus. Ausnahmen bestehen aber insofern, als unmittelbare persönliche Verletzungen der Mitgesellschafter gegeben sind oder die persönlichen Verfehlungen aus besonderen Gründen auch das Unternehmen schädigen.
Rz. 560
Der Ausschließungsklage steht nicht entgegen, dass nach der Ausschließung nur ein Gesellschafter verbleibt (§ 134 Satz 3 HGB). Auch hier hat das Gericht unter Würdigung des Einzelfalls eine Gesamtinteressenabwägung vorzunehmen, in die insb. die große Härte des Ausschlusses eines von zwei Gesellschaftern im Gegensatz zum Ausschluss eines von drei oder mehr Gesellschaftern einzustellen ist. Insofern kann gesagt werden, an den wichtigen Grund seien ggü. einer Ausschließung nach § 134 Satz 1 HGB grds. noch höhere Anforderungen zu stellen. Mit Rechtskraft des Urteils, das die Ausschließung aus der Zweipersonengesellschaft anordnet, erlischt die Gesellschaft, der verbliebene Unternehmer erhält das Gesellschaftsvermögen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge. Als Gesamtrechtsnachfolger haftet er unbeschränkt für die Altschulden der Gesellschaft, was aber nichts an der Haftung eines Gesellschafters ändert, der schon vor der Übernahme ausgeschieden ist. Der Vermögensübergang erfolgt ohne Liquidation, ohne Einhaltung von Formvorschriften und außerhalb des Grundbuchs.
Rz. 561
Die Ausschließungsklage muss von allen übrigen Gesellschaftern erhoben werden. Dabei kann sich aus der Treuepflicht u.U. eine Pflicht zur Beteiligung ergeben (vgl. dazu oben Rdn 522 ff.). Des Weiteren ist aufgrund der einschneidenden Wirkungen, die der Ausschluss für den Betroffenen hat, der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vgl. dazu oben Rdn 533) zu beachten. Nur wenn es keine weniger einschneidende Lösung für das Problem gibt, darf das Gericht also den Ausschluss herbeiführen.
Rz. 562
Prozessual ist Folgendes zu beachten:
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der Gerichtsstand ist am Wohnsitz des Auszuschließenden (§ 13 ZPO) und am allgemeinen Gerichtsstand der Gesellschaft (§ 22 ZPO) begründet; |
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bzgl. der Verbindung mit der Zustimmungsklage gegen unwillige Gesellschafter, die aus ihrer Treuepflicht zur Mitwirkung an der Ausschlussklage verpflichtet sein können, gilt das Gleiche wie bei der Entziehung der Vertretungsmacht (vgl. dazu oben Rdn 522 ff.); |
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ein Ausschluss ist nicht im Wege der einstweiligen Verfügung möglich; |
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die Widerklage nach §§ 117, 127, 133, 140 HGB ist möglich; |
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der Übergang von der Ausschließung bzw. Übernahme zur Auflösung der Gesellschaft stellt eine Klageänderung dar; |
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der Streitgegenstand bei Ausschließung und Übernahme ist identisch. |
Durch das "kann" in § 134 Satz 1 HGB wird dem Gericht kein Ermessen eingeräumt. Bei Vorliegen der Voraussetzungen muss es die Ausschließung aussprechen. Zwischen dem Ausgeschlossenen und der Gesellschaft findet eine Auseinandersetzung gem. §§ 712ff. BGB statt, für die der Zeitpunkt der Klageerhebung, nicht der der Rechtskraft des Urteils maßgebend ist (§ 140 Abs. 2 HGB).
§ 134 HGB ist dispositiv. Der Gesellschaftsvertrag kann daher die Ausschließung erschweren oder auch gänzlich beseitigen. In der Folge bleibt für die Lösung der Probleme, die sonst die Ausschließung oder Übernahme nach sich ziehen würden, nur die Auflösung der Gesellschaft. Es sind aber auch Erleichterungen der Ausschließung durch den Gesellschaftsvertrag möglich. Der A...