Dr. Peter Stelmaszczyk, Stefan Wegerhoff
Rz. 737
Eine wesentliche Neuerung des MoPeG besteht in der Schaffung eines – an die bekannten Regeln des AktG angelehnten – Rechtes zur Geltendmachung von Beschlussmängeln in Personenhandelsgesellschaften (vgl. §§ 110–115 HGB). Dieses Verfahren ist auch im Recht der KG anwendbar. Während nach bisherigem Verständnis mangelhafte Beschlüsse stets nichtig waren (was ggf. im Wege einer Feststellungsklage geltend gemacht werden konnte), führen Beschlussmängel nur noch dann ipso jure zur Nichtigkeit, wenn der Beschluss Rechtsvorschriften verletzt, auf die die Gesellschafter nicht verzichten können. In allen anderen Fällen tritt die Nichtigkeit nur ein, wenn der Beschluss aufgrund einer Anfechtungsklage durch Gestaltungsurteil für nichtig erklärt worden ist (anfechtbarer Beschluss).
a) Mögliche Mängel von Gesellschafterbeschlüssen
Rz. 738
Der Beschluss der Gesellschafter einer KG kann inhaltliche Mängel aufweisen (z.B. Verstöße gegen gesellschaftsvertragliche Bestimmungen, Sittenwidrigkeit) oder verfahrensfehlerhaft zustande gekommen sein. Verfahrensfehler können u.U. geheilt werden, z.B. wenn ein nicht oder nicht ordnungsgemäß geladener Gesellschafter erscheint. Von Beschlussmängeln sind Stimmabgabemängel zu unterscheiden, die nur dann zu einem Beschlussmangel führen, wenn der Beschluss auf der Stimmrechtsausübung, die vom Stimmrechtsmangel betroffen ist, beruht. Daher sind Stimmabgabemängel, die keinen Beschlussmangel zur Folge haben, nur bei Mehrheitsbeschlüssen möglich. Führt die fehlerhafte Stimmabgabe zu einem mangelhaften Beschluss, ist dieser nach allgemeinen Grundsätzen anfechtbar.
b) Gerichtliche Geltendmachung von Beschlussmängeln
Rz. 739
Für die Anfechtungsklage besteht eine ausschließliche Zuständigkeit des LG am Sitz der Gesellschaft (§ 113 Abs. 1 HGB). § 113 HGB regelt auch das Verfahren der Beteiligung der Mitgesellschafter an dem Anfechtungsverfahren. Dieses ist von großer Bedeutung, denn die gerichtliche Nichtigkeitsfeststellung wirkt für und gegen alle Gesellschafter (§ 113 Abs. 6 HGB). Für die – nur noch in Ausnahmefällen zu erwartende – Nichtigkeitsfeststellungsklage gelten gem. § 114 HGB dieselben Verfahrensregeln. Schließlich kann die Anfechtungsklage gegen einen ablehnenden Gesellschafterbeschluss mit einer (positiven) Klage auf Feststellung des rechtmäßigerweise zu fassenden Beschlusses verbunden werden (§ 115 HGB). Dies könnte von Belang sein, wenn die Gesellschafterversammlung eine seitens des geschäftsführenden Gesellschafters begehrte Entlastung zu Unrecht verweigert.
Entscheidend für das weitere Schicksal des Beschlusses ist die Klagefrist (§ 112 HGB). Sie beträgt drei Monate (beginnend mit der Bekanntgabe des Beschlusses an den anfechtungsberechtigten Gesellschafter) und kann gesellschaftsvertraglich auf bis zu einen Monat verkürzt werden.
Anfechtungsberechtigt sind grds. alle zzt. der Beschlussfassung beteiligten Gesellschafter bzw. deren Rechtsnachfolger (§ 111 Abs. 1 HGB). Damit ist insbesondere der vom Stimmrecht ausgeschlossene Gesellschafter anfechtungsberechtigt (in der nach § 109 Abs. 3 HGB mit Einstimmigkeit operierenden Gesellschaft dürfte dies sogar der einzig sinnvolle Anfechtungsfall sein), aber auch der Gesellschafter, der für den Beschluss gestimmt hat; anders wohl dann, wenn der Gesellschafter bei Erteilung der Zustimmung den Mangel bereits gekannt hat.
c) Gesellschaftsvertragliche Regelung
Rz. 740
Die gesetzliche Neuregelung führt zu wesentlich mehr Rechtssicherheit in der KG, denn spätestens mit Ablauf der Anfechtungsfrist wird man sich nun – von den Ausnahmefällen des § 110 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 HGB abgesehen – auf die Wirksamkeit des Beschlusses verlassen können. Dies bringt auf der anderen Seite notwendigerweise eine strengere Formalisierung des Prozesses der Beschlussfassung, Protokollierung und Bekanntgabe mit sich, was bei der Gestaltung des Gesellschaftsvertrages zu berücksichtigen ist.
Rz. 741
Checkliste: Regelungsgegenstände bei Gesellschafterversammlung und Beschlussfassung
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Gesellschafterversammlungen:
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Grundsatz der Beschlussfassung in Versammlungen, Möglichkeit der Beschlussfassung außerhalb von Versammlungen, |
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Einberufung (Einberufungsberechtigung, Form, Frist, Ruhen des Stimmrechts bei unbekanntem Aufenthalt), |
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Ort der Versammlung, ggf. Möglichkeit der Abhaltung einer Versammlung per Videoübertragung |
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Beschlussfähigkeit, zweite Versammlung bei Beschlussunfähigkeit, |
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Vertretung und Beratung in Gesellschafterversammlungen, |
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Versammlungsleiter, |
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Protokoll bei Versammlungen und bei Beschlussfassung außerhalb von Versammlungen |
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Übermittlung des Protokolls an die Gesellschafter, insbesondere zur Sicherung des Fristbeginns nach § 112 Abs. 2 HGB |
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