Dr. Peter Stelmaszczyk, Stefan Wegerhoff
I. Allgemeines
Rz. 1
Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (auch BGB-Gesellschaft oder GbR) ist die Gesellschaftsform mit der größten praktischen Verbreitung. Dies liegt weniger daran, dass die BGB-Gesellschaft regelmäßig bewusst als Träger gesellschaftsrechtlicher Aktivitäten gewählt würde. Die Vielzahl ihres Auftretens beruht vielmehr darauf, dass gem. § 705 BGB i.d.F. bis zum 31.12.2023 (nachfolgend a.F.) wie auch i.d.F. ab dem 1.1.2024 (nachfolgend n.F.) eine BGB-Gesellschaft immer dann entsteht, wenn sich mehrere Personen vertraglich zusammenfinden, um einen gemeinsamen Zweck zu verfolgen. Die BGB-Gesellschaft ist damit der Grundtypus jeder personengesellschaftsrechtlichen Vereinigung, denn die Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks ist gleichermaßen kennzeichnend für die übrigen Gesellschaftsformen wie etwa die OHG, die KG, oder die Partnerschaftsgesellschaft. BGB-Gesellschaften haben damit eine sehr große Spannbreite, die nur in Teilbereichen zwingend in andere Gesellschaftsformen übergeht. So kann BGB-Gesellschaft auf der einen Seite die viel zitierte Lotto-Tippgemeinschaft oder der Zusammenschluss zweier Bergsteiger sein, während sie auf der anderen Seite als Zusammenschluss mehrerer Baufirmen zur Errichtung eines Flugplatzes oder als weltumspannende Rechtsanwaltsgesellschaft auftritt. Führt man sich diese Spannbreite vor Augen und vergegenwärtigt man sich gleichzeitig, wie rudimentär der historische Gesetzgeber die GbR in den §§ 705 ff. BGB a.F. geregelt hatte, wird das Urteil Karsten Schmidts schnell verständlich, das Recht der BGB-Gesellschaft sei "vielleicht nicht das bedeutsamste, aber doch wohl das schwierigste Gebiet des besonderen Gesellschaftsrechts".
Rz. 2
Dieses Urteil dürfte auch nach der Neufassung der §§ 705–740c BGB durch das am 1.1.2024 in Kraft getretene Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) Bestand haben. Das MoPeG hat das Recht der GbR in den §§ 705–740c BGB n.F. systematisch völlig neu geordnet, es hat zahlreiche neue Paragraphen hinzugefügt und nahezu sämtliche Paragraphen neu formuliert. Systematisch unterscheidet das neue Recht konsequent zwischen der rechtsfähigen Gesellschaft (§ 705 Abs. 2 Alt. 1 BGB n.F.) und der nicht rechtsfähigen Gesellschaft (§ 705 Abs. 2 Alt. 2 BGB n.F.). Auch inhaltlich bringt das MoPeG viele einzelne Änderungen, deren praktisch bedeutsamste die Einführung eines neuen Gesellschaftsregisters ist (§§ 707 ff. BGB n.F.). Wenngleich man nach einem ersten Blick auf die Neuregelungen konstatieren mag, dass im Vergleich zum alten Recht "kaum ein Stein auf dem anderen geblieben [ist]", so bringt der zweite Blick die durchaus beruhigende Erkenntnis, dass die Änderungen für den Rechtsanwender insgesamt überschaubar sind. Der Grund für diesen Befund liegt in der Zielsetzung der Reform selbst: Hauptanliegen des MoPeG ist ausweislich der Regierungsbegründung, das Recht der GbR zu konsolidieren und die gesetzlichen Vorschriften an die praktischen Bedürfnisse von Gesellschaften und Gesellschaftern anzupassen, indem die Vorschriften auf das Leitbild einer auf Dauer angelegten Gesellschaft bürgerlichen Rechts ausgerichtet werden, die als solche am Rechtsverkehr teilnimmt, selbst Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen kann und hierfür durch Eintragung in ein eigenes Register mit Subjektpublizität ausgestattet werden kann. Mit anderen Worten: Die Neuregelungen zeichnen im Wesentlichen diejenige Transformation nach, die das Recht der GbR nach der Konzeption des historischen Gesetzgebers durch die Rspr. und die Praxis erfahren hat. Das neue Recht folgt mithin der Rechtsrealität. Zum besseren Verständnis der Neuregelungen sollen zunächst das Leitbild des historischen Gesetzgebers und dessen Transformation durch Rspr. und Praxis dargestellt werden (Rdn 3 ff.). Daran schließt sich ein Überblick über die Neuregelungen durch das MoPeG an (Rdn 25 ff.), bevor im weiteren Gang der Darstellung auf die für die kautelarjuristische Gestaltungspraxis relevanten Änderungen eingegangen wird (ab Rdn 49 ff.).
1. Die GbR nach dem Leitbild des historischen Gesetzgebers und Transformation durch Rspr. und Praxis
a) GbR als schuldrechtlicher Vertragstyp
Rz. 3
Der historische Gesetzgeber hat die GbR als schuldrechtlichen Vertragstyp konzipiert, bei dem das Gesellschaftsvermögen nicht der Gesellschaft selbst, sondern den Gesellschaftern zur gesamten Hand zugeordnet ist. Folgerichtig war das Bestehen eines Gesellschaftsvertrages unabdingbare Voraussetzung für das Bestehen einer BGB-Gesellschaft. An der Voraussetzung eines Gesellschaftsvertrags hält auch das MoPeG fest, wenngleich es den Leitbildwandel "vom vertraglichen Schuldverhältnis zum Rechtssubjekt" ebenso wie "vom Sondervermögen der Gesellschafter zum Vermögen der Gesellschaft" vollzieht (s. dazu Rdn 141 ff. sowie Rdn 155 ff.). Aus dem Vertrag erwachsen die Rechte und Pflichten der Gesellschafter im Innenverhältnis. Anders al...