Dr. Peter Stelmaszczyk, Stefan Wegerhoff
Rz. 278
Vereinbarungen, mit denen die Stimmrechtsausübung in der Gesellschaft Bindungen unterworfen wird, treten grds. in zwei verschiedenen Formen auf. Zum einen in Form der sog. Gruppenvertretungsregelungen und zum anderen in Form echter Stimmbindungsverträge.
(1) Gruppenvertretung
Rz. 279
In Gesellschaften, deren Gesellschafterkreis durch zwei oder mehr in sich homogene Gruppen von Gesellschaftern bestimmt sind, insb. also bei Familiengesellschaften mit mehreren Stämmen, können sich gesellschaftsvertragliche Vereinbarungen empfehlen, wonach die Stimmen einer jeweiligen Gesellschaftergruppe nur einheitlich ausgeübt werden können. Dies wird als obligatorische Gruppenvertretung bezeichnet. Gerade dann, wenn durch Erbfolge immer umfangreichere Gesellschafterkreise entstehen, ist es sinnvoll, solche Regelungen vorzusehen, um die Gesellschaft handlungsfähig zu halten. Diese werden heute allgemein als grds. zulässig angesehen. Für die Wirksamkeit solcher Gruppenvertretungsvereinbarungen wird es als entscheidend angesehen, dass der Gruppenvertreter Mitglied der betroffenen Gesellschaftergruppe ist und von dieser bestellt und abberufen werden kann. Bei den Kernbereich der Gesellschafterrechte betreffenden Maßnahmen ist jedoch eine Durchbrechung der Gruppenvertretung und Einzelvertretung notwendig.
Rz. 280
Während zwar die Gruppenvertretung dazu führt, dass die betroffenen Stimmen der Gesellschafter einheitlich ausgeübt werden, kann die Willensbildung innerhalb der jeweiligen Gruppe durch Mehrheitsentscheidung erfolgen. Wie die konkrete Gruppe intern strukturiert ist, ist dabei offen. Sie kann also selbst wiederum (Innen-)GbR sein. Fehlt es an konkreten Regelungen, ist streitig, welche internen Regelungen anzuwenden sind. Es empfiehlt sich deshalb dringend eine eigenständige Regelung zu vereinbaren, die Bestimmungen für die Willensbildung im Innenverhältnis vorsieht, notfalls auch angelehnt an die Regelung in der Gesellschaft selbst.
Rz. 281
Die Gruppenvertretung unterliegt dann Schranken, wenn es um Beschlussfassungen im Kernbereich der Gesellschafterrechte geht. Ebenso wie im Gesellschaftsvertrag nicht ausreichend bestimmt festgelegte Beitragserhöhungen nur durch einstimmigen Beschluss der Gesellschafter außerhalb jeder Gruppenvertretung beschlossen werden können, kann auch bei vereinbarter Gruppenvertretung nicht gegen den Willen eines Einzelnen diesem eine zusätzliche Leistung aufgenötigt werden. Gleiches gilt bspw. für die Kündigung oder Auflösung der Gesellschaft. Letztlich kann als Anhaltspunkt dienen, dass mit dem Mittel der Gruppenvertretung nicht durch die Hintertür Mehrheitsentscheidungen herbeigeführt werden können, die ohne Gruppenvertretung zulasten eines einzelnen Gesellschafters nicht möglich wären.
(2) Stimmbindungsverträge
Rz. 282
Von einem Stimmbindungsvertrag wird dann gesprochen, wenn sich ein Gesellschafter schuldrechtlich dazu verpflichtet, in bestimmter Weise sein Stimmrecht auszuüben. Solche Verträge sind generell zulässig. Allerdings wird auch nicht verkannt, dass sie tendenziell in die Nähe des Abspaltungsverbots nach § 711a BGB n.F. (vormals: § 717 BGB a.F.) rücken, da zwar keine "dingliche" Übertragung der Stimmrechte stattfindet, die schuldrechtliche Bindung aber zu ähnlichen Ergebnissen führt. Die Verpflichtung gesellschaftsfremden Dritten ggü. wird deshalb nach einer weit verbreiteten Auffassung für unzulässig gehalten. Neben der generellen Grenze des § 138 BGB unterliegen Stimmbindungsverträge naturgemäß auch den Grenzen, denen die Freiheit der Stimmrechtsausübung des Gesellschafters aus dem gesellschaftsrechtlichen Treueverhältnis selbst unterliegt. Ein Gesellschafter verpflichtet sich zu einer unmöglichen Leistung, wenn er eine Stimmrechtsausübung verspricht, an der er aus gesellschaftsrechtlichen Gründen gehindert ist. Soweit ein Stimmbindungsvertrag den Kernbereich einer Gesellschafterposition betrifft, muss dieser die hohen Anforderungen für die antizipierte Einwilligung in Kernbereichseingriffe beachten (s. Rdn 265 ff.).