Verfahrensgang
LG Osnabrück (Urteil vom 08.02.2005; Aktenzeichen 3 O 2566/03) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 3. Zivilkammer des LG Osnabrück vom 8.2.2005 geändert.
Die Beklagte wird verurteilt, 6.653 Namensaktien im Nennbetrag von je 100 DM an der J. AG, eingetragen im Handelsregister des AG Osnabrück unter HRB ..., auf den Kläger zu übertragen.
Auf die Widerklage der Beklagten wird festgestellt, dass der am 27.10.1993 vor dem Notar I. zu dessen UR-Nr. 727/1993 geschlossene Pflichtteilsverzichtsvertrag zwischen der Beklagten und dem Kläger hinsichtlich des Nachlasses des Klägers unwirksam ist.
Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung wegen der Übertragung der Aktien durch Sicherheitsleistung i.H.v. 341.000 EUR abzuwenden, falls nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
I. Der Kläger, seine Ehefrau und seine drei Töchter, darunter die Beklagte, sind alleinige Aktionäre der am 11.11.1992 gegründeten J. AG. Der Kläger war bis Anfang 1994 alleiniger Vorstand, danach stets vorsitzendes Mitglied des Vorstands der AG. Die Gründung der J. AG war ein Teilakt der Maßnahmen des Klägers zur Gestaltung der Generationennachfolge in das von ihm durch seine kaufmännischen Tätigkeiten geschaffene (Betriebs-)Vermögen. Das Vermögen der J. AG setzt sich ausschließlich aus den Unternehmensbeteiligungen des Klägers zusammen. Von den 20.000 ausgegebenen Namensaktien zum jeweiligen Nennwert von 100 DM hielten ursprünglich der Kläger 19.960 (= 99,80 %) und die anderen vier Familienmitglieder jeweils 10 (= 4 × 0,05 %) Stück.
Mit der Gründung der J. AG und der Anteilsübertragung auf seine Töchter wollte der Kläger seine Unternehmensbeteiligungen vollwirksam unter Lebenden und damit erbschaftssteuerneutral übertragen. Ein Übergang der Unternehmensführung sollte damit nicht verbunden sein. Im Gegenteil sollte eine fortdauernde einheitliche unternehmerische Führung der Gruppenunternehmen durch den Kläger selbst oder einen später von ihm zu bestimmenden geeigneten Unternehmensnachfolger gewährleistet werden. Dem Kläger kam es wesentlich darauf an, unter Berücksichtigung aller denkbaren Eventualitäten rechtsgestaltend sicherzustellen, dass er trotz der Anteilsübertragungen weiterhin ohne relevante Einschränkungen allein über die Geschäfte bzw. die Person seines Rechtsnachfolgers in der Unternehmensführung das letztentscheidende "Bestimmungsrecht" in der Gesellschaft behielt. Aus den seinerzeit getroffenen Vereinbarungen ergibt sich folgendes Bild:
Bereits nach dem Gründungsvertrag der J. AG war eine Übertragung der Aktien grundsätzlich nur mit mehrheitlicher Zustimmung der Gesellschafter möglich; zustimmungsfrei konnten die Gesellschafter allerdings Aktien an ihre Mitgesellschafter und deren leibliche Abkömmlinge übertragen. Im Anschluss an die Gründung der AG wurde am selben Tag von den Aktionären ein Schutzgemeinschaftsvertrag geschlossen, wonach sich die Gesellschafter dem Ziel verpflichteten, die J. AG im Eigentum der Familie zu halten und ihre Stimmrechte einheitlich in diesem Sinne auszuüben.
Die Ausübung der Stimmrechte war dem Kläger als geschäftsleitendem Gesellschafter übertragen; dies sollte auch so bleiben.
Zur Umsetzung seiner Pläne wählte der Kläger die Kombination verschiedener Vereinbarungen, die alle am 27.10.1993 getroffen wurden. Zunächst vereinbarten die Eheleute W. mit ihren Töchtern deren Verzicht auf Pflichtteilsrechte. Danach schlossen der Kläger, seine Ehefrau und seine Töchter eine privatschriftliche Stimmbindungsvereinbarung zugunsten des Klägers. Weiter schlossen der Kläger und seine Töchter einen Schenkungs- und Übereignungsvertrag (später teilweise abgeändert durch Vertrag v. 3.12.1999).
Mit dem Schenkungsvertrag übertrug der Kläger aus seinem Bestand von insgesamt 19.959 Aktien jeweils 6.653 Aktien auf seine Töchter und trat ihnen die damit verbundenen mitgliedschaftlichen Rechte ab. Der Kläger selbst behielt danach lediglich eine Aktie zum Nennwert von 100 DM, was einem Anteil von 0,005 % entsprach. In der Präambel des Schenkungsvertrags war erwähnt, dass die zeitlich zuvor vereinbarte Stimmbindung einen entscheidenden Anteil des Klägers an der Willenbildung gewährleisten sollte. Ferner war dem Kläger in § 5 Ziff. 3c ein Recht zum Widerruf der Schenkung eingeräumt worden für den Fall, dass eine der Töchter gegen "Bestimmungen des Stimmbindungsvertrages verstößt" (am 3.12.1999 ergänzt um das Erfordernis einer Fristsetzung nach Abmahnung).
Der Stimmbindungsvertrag sah in § 1 vor, dass die Mitgesellschafter bei allen wesentlichen, für den Bestand und die Führung des Unternehmens bedeutsamen Entscheidungen ihr Stimmrecht nach der Weisung des Klägers ausüben bzw. entsprechende Beschlüsse nur mit dessen Zustimmung fassen durften. Zudem wurden dem Kläger das Amt des Vorstandsmitglieds als unentziehbares Sonderrecht (§ 3 Zif...