Dr. Peter Stelmaszczyk, Stefan Wegerhoff
Rz. 418
Grds. gilt, dass die gesetzlichen Bestimmungen zur Abfindungsregelung eines ausscheidenden Gesellschafters dispositiv sind und damit auch Abweichungen zulasten des Gesellschafters vertraglich vereinbart werden können. Regelungsgegenstand sind dabei zum einen die Höhe einer Abfindung und zum Zweiten die Modalitäten der Zahlung. Kernüberlegung bei der Gestaltung von Abfindungsregelungen sollte die Erkenntnis sein, dass regelmäßig zu Beginn der Gesellschaft den Gesellschaftern der eigene Verbleib in der Gesellschaft als sicher erscheint, während die Mitgesellschafter als potenzielle "Wackelkandidaten" identifiziert werden. Gleichzeitig wird dem Erhalt der Gesellschaft ein besonders hoher Stellenwert eingeräumt. Kommt es zu einem Ausscheiden aus der Gesellschaft, werden sich diese Interessen regelmäßig erheblich verschieben. Der ausscheidende Gesellschafter erkennt plötzlich, dass nicht die anderen, sondern er der "Wackelkandidat" ist. Ferner erscheint dem Ausscheidenden das Interesse am Fortbestand der Gesellschaft regelmäßig weniger bedeutend als den verbleibenden Mitgesellschaftern. Dem Vertragsgestalter obliegt es, den Gesellschaftern insofern mögliche Änderungen ihrer Interessen klar vor Augen zu führen. Hinzu kommt, dass Abfindungsbeschränkungen gerade im Zusammenspiel mit Ausschließungsmöglichkeiten zu erheblichen strukturellen Ungleichgewichten innerhalb der Gesellschaft führen können. Letztlich kann sich eine Abfindungsbeschränkung auch als wirtschaftliche Beschränkung der Kündigungsmöglichkeiten eines Gesellschafters darstellen.
Rz. 419
Greifen gesellschaftsvertragliche Regelungen nur bei der Zahlungsweise eines Abfindungsentgelts ein, sind diese, jedenfalls soweit normale zeitliche Grenzen gewahrt bleiben, unproblematisch. Oftmals findet sich in Gesellschaftsverträgen eine Regelung, die liquiditätsschonende Wirkung für die Gesellschafter dadurch entfaltet, dass der Abfindungsbetrag über einen Zeitraum gestreckt wird. Handelt es sich dabei um wenige Jahre und findet während dieser Zeit für den jeweils ausstehenden Restbetrag eine Verzinsung statt, dürften solche Klauseln keinen Bedenken begegnen. Problematisch ist es allerdings, wenn über lange Zeiten zinsfrei die Abfindungszahlung gestundet werden soll, was de facto auch höhenmäßig eine Begrenzung der Abfindungszahlung nach sich zieht; 15 Jahre sind als zu lang eingestuft worden.
Rz. 420
Eine Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) wird allgemein dann angenommen, wenn eine abfindungsbeschränkende Regelung allein gläubigerbenachteiligende Wirkung hat. Regelungen, wonach der Abfindungsanspruch eines Gesellschafters im Zwangsvollstreckungs- bzw. Insolvenzfall ausgeschlossen oder beschränkt wird, während er in sonstigen Fällen des Ausscheidens aus wichtigem Grund nicht oder weniger stark eingeschränkt ist, sind nichtig. Dass sich die Gläubiger ebenso behandeln lassen müssen wie der Gesellschafter im Fall des Ausscheidens aus wichtigem Grund, wird hingegen als unproblematisch eingestuft.
Rz. 421
Die Sittenwidrigkeit einer Abfindungsklausel wird ferner dann angenommen, wenn diese zu einer Knebelung des Gesellschafters führen. Eine solche Knebelung wird dann bejaht, wenn die Abfindungsregelung dazu führt, dass dem Gesellschafter erhebliche Teile seines in der Gesellschaft gebundenen Vermögenswertes verloren gehen und eine solche Klausel nicht durch den Zweck der Gesellschaft oder sonstige bedeutende rechtliche Erwägungen gerechtfertigt ist. Dass es zu dieser Frage keine klare Rspr. und auch keine genau bezifferbaren Formeln in der Literatur gibt, ist Folge der schon für die Bewertung der Beteiligung an einer GbR bestehenden Schwierigkeiten. Wo schon generelle Regeln zum Bewertungsmaßstab für eine Gesellschaft selbst fehlen, kann es auch keine pauschalen Regeln für Beschränkungen geben.
Gesichert ist nur, dass Abfindungsausschlüsse für bestimmte Situationen oder Gesellschaftskonstellationen möglich sind. Dies gilt namentlich für den Ausschluss im Fall des Todes eines Gesellschafters, Gesellschaften mit ideellem Zweck, ebenso jedenfalls hinsichtlich erheblicher Höhenbeschränkungen bei Arbeitnehmerbeteiligungen und auch bei Freiberufler-Sozietäten. Angebracht scheint es ferner, Abfindungsbeschränkungen dann zuzulassen, wenn das Ausscheiden bedingt ist durch einen in der Person des ausscheidenden Gesellschafters schuldhaft verwirklichten wichtigen Grund. So dürfte eine Beschränkung im Fall des Griffs in die Kasse sicher anders zu bewerten sein als bei einer dauernden Erkrankung.
Rz. 422
Außerhalb der vorstehend genannten Fallgruppen ist die Orientierung recht schwierig. Der BGH hat eine Klausel, die den Abfindungsanspruch auf die Hälfte des Buchwertes des Gesellschaftsanteils festsetzte, als unwirksam angesehen. Da der Buchwert einer Gesellschaftsbeteiligung regelmäßig nicht höher als deren Verkehrswert ist, scheinen damit jedenfalls solche Klauseln ausgeschlossen zu sein, nach denen im Abfindungsfall nicht me...