Dr. Peter Stelmaszczyk, Stefan Wegerhoff
Rz. 249
Nach § 714 BGB a.F. waren Geschäftsführungsbefugnis und Vertretungsmacht der Geschäftsführer im Zweifel verbunden. Das MoPeG hat die Vertretungsmacht von der Geschäftsführungsbefugnis entkoppelt, ohne den Gleichlauf von rechtlichem Dürfen im Innenverhältnis und rechtlichen Können im Außenverhältnis im Grundsatz aufzugeben (vgl. § 715 BGB n.F. und § 720 BGB n.F.). Danach sind vorbehaltlich einer abweichenden Regelung im Gesellschaftsvertrag alle Gesellschafter gemeinsam zur Geschäftsführung und Vertretung berechtigt. Sie können aber auch auseinanderfallen. So ist eine Geschäftsführungsbefugnis durchaus ohne Erteilung einer Vertretungsmacht möglich, umgekehrt wird sie nicht in Betracht kommen. Unter dem Begriff der Vertretungsmacht ist dabei in Abgrenzung zur Geschäftsführungsbefugnis, die das rechtliche Dürfen beschreibt, die rechtliche Möglichkeit der Durchführung von Geschäftsführungsmaßnahmen mit Außenwirkung zu verstehen.
aa) Rechtsnatur
Rz. 250
§ 714 BGB a.F. sprach von einer Vertretung der anderen Gesellschafter. Daraus wurde in der Vergangenheit der Schluss gezogen, dass der für die Gesellschaft handelnde geschäftsführende Vertreter nicht die Gesellschaft, sondern vielmehr deren Gesellschafter vertrat und verpflichtete. Diese Ansicht war bereits nach Feststellung der Rechtsfähigkeit der Außen-GbR durch den BGH überholt. Nach dem Verständnis des BGH vertrat der Geschäftsführer die Gesellschafter in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit, mithin die GbR. Mit Aufgabe des Gesamthandsprinzips als Ebene der Vermögenszuordnung durch das MoPeG spricht § 720 Abs. 1 BGB n.F. konsequenterweise ausdrücklich von der "Vertretung der Gesellschaft". Im Hinblick auf die Rechtsnatur der Vertretungsmacht ist ebenso klar, dass es sich bei der Vertretung der GbR um eine organschaftliche handelt. Die Frage, ob neben der Vertretung der Gesellschaft auch noch eine Vertretung der Gesellschafter persönlich stattfindet, ist eine der rechtsgeschäftlich getroffenen Vereinbarungen. Sie spielt aber praktisch keine Rolle mehr, da die akzessorische Haftung der Gesellschafter ohnehin einen Anspruch gegen diese begründet. Etwas unglücklich ist die vom Gesetzgeber des MoPeG in § 720 BGB n.F. gewählte Diktion der "Vertretungsbefugnis". Vorzugswürdig wäre es gewesen, die Unterscheidung von rechtlichem Dürfen im Innenverhältnis und rechtlichem Können im Außenverhältnis im Gesetzeswortlaut terminologisch durch die Unterscheidung von "Befugnis" und "Macht" nachzuvollziehen. Während § 715 BGB n.F. zutreffend von "Geschäftsführungsbefugnis" spricht, hätte § 720 BGB n.F. konsequenterweise den Begriff der Vertretungsmacht“ verwenden müssen. Für das Verständnis und die Rechtsnatur der Vertretung der Gesellschaft spielen diese terminologischen Feinheiten allerdings keine Rolle.
bb) Person des Vertreters
Rz. 251
Nach den Regelungen in § 715 BGB n.F. und § 720 BGB n.F. besteht im Grundsatz ein Gleichlauf von Geschäftsführungsbefugnis und Vertretungsmacht. Nach § 720 Abs. 1 BGB n.F. sind "[z]ur […] Vertretung der Gesellschaft alle Gesellschafter gemeinsam befugt, es sei denn, der Gesellschaftsvertrag bestimmt etwas anderes".“. Es besteht somit im Grundsatz Gesamtvertretungsmacht. Soweit von dieser Regel abgewichen werden soll, muss dies nach wie vor ausdrücklich im Gesellschaftsvertrag geregelt werden.
Rz. 252
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Muster 9.8: Auseinanderfallen von Geschäftsführungsbefugnis und Vertretungsmacht
Gesellschafter A, B und C sind jeweils zur alleinigen Geschäftsführung der Gesellschaft befugt. Die Vertretung der Gesellschaft erfolgt jedoch nur durch die Gesellschafter A und B gemeinsam, der Gesellschafter C ist nicht zur Vertretung der Gesellschaft ermächtigt.
Im gesetzlichen Regelfall der Gesamtvertretung sind demnach alle Gesellschafter nur gemeinschaftlich zur Vertretung der Gesellschaft ermächtigt; ist der Mehrheitsgrundsatz eingeführt, vertritt die Mehrheit der Gesellschafter die Gesellschaft nach außen. Fällt die Vertretungsmacht eines Geschäftsführers nachträglich weg und bleibt die Gesellschaft nach den vertraglichen Regelungen mit den noch existierenden Geschäftsführern handlungsfähig, gilt diese Vertretungsregel. Wird die Gesellschaft dadurch handlungsunfähig, gilt die gesetzliche Gesamtvertretung nach§ 720 Abs. 1 BGB n.F. Der Wegfall eines von zwei zur Gesamtvertretung ermächtigten Geschäftsführern führt nicht zur Alleinvertretungsmacht des verbleibenden. Nach dem neu eingeführten § 720 Abs. 2 BGB n.F. können die zur Gesamtvertretung ermächtigten Gesellschafter einzelne von ihnen zur Vornahme bestimmter Geschäfte oder bestimmter Arten von Geschäften ermächtigen.
cc) Umfang der Vertretungsmacht
Rz. 253
Die Vertretungsmacht der Gesellschafter erstreckt sich auf alle Geschäfte der Gesellschaft (§ 720 Abs. 3 Satz 1 BGB n.F.). Eine Beschränkung des Umfangs der Vertretungsmacht ist D...