Dr. Peter Stelmaszczyk, Stefan Wegerhoff
Rz. 509
Die Unterscheidung zwischen Geschäftsführungsbefugnis und Vertretungsmacht der Gesellschafter entspricht dem zwischen Außen- und Innenverhältnis der OHG. In beiden Bereichen kann die OHG ausschließlich durch ihre Organe handeln. Als Personengesellschaft gilt für sie das Prinzip der Selbstorganschaft bzw. das sog. Abspaltungsverbot; die Gesellschafter selbst führen die Geschäfte der Gesellschaft und vertreten sie nach außen. Im Hinblick auf ihre Flexibilität im Wirtschaftsleben herrscht daneben als gesetzlicher Normalfall das Prinzip der Einzelgeschäftsführung bzw. -vertretung vor.
1. Geschäftsführung
a) Einzelgeschäftsführung
Rz. 510
Ist im Gesellschaftsvertrag gem. § 108 HGB keine abweichende Regelung vereinbart, gilt für die OHG der Grundsatz der Einzelgeschäftsführung. Gem. § 116 HGB kann jeder Gesellschafter ohne Beteiligung der Übrigen im gewöhnlichen Geschäftsbetrieb grds. jede in den Bereich der Geschäftsführung fallende Handlung vornehmen. Dadurch sind eine große Flexibilität und Beweglichkeit der OHG im Geschäftsverkehr gewährleistet, zugleich besteht aber eine gewisse Gefahr im Hinblick auf ein eigenmächtiges Handeln eines Gesellschafters gegen den möglicherweise abweichenden Willen der anderen.
Hinweis
Bei der Gestaltung des Gesellschaftsvertrages ist das Risiko unter Berücksichtigung der Kenntnisse und Fähigkeiten der Gesellschafter abzuwägen. Nicht zuletzt wird das Vertrauensverhältnis zwischen den Gesellschaftern den Ausschlag für die konkrete Verteilung der Geschäftsführungsbefugnis geben.
Rz. 511
Die gesellschaftsvertragliche Ausgestaltung bietet insoweit zahlreiche Gestaltungsmöglichkeiten. Denkbar sind etwa die folgenden Regelungen:
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vollständiger oder teilweiser Ausschluss eines Gesellschafters von der Geschäftsführung (§ 116 HGB), |
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Aufteilung der Geschäftsführungsbefugnis unter den Gesellschaftern nach Kompetenzbereichen (z.B. Unterteilung in kaufmännischen und technischen Bereich), |
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Gesamtgeschäftsführung (§ 116 Abs. 4HGB), |
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Notwendigkeit eines Mehrheitsbeschlusses oder der Zustimmung aller Gesellschafter zu wichtigen Geschäften, |
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Abbedingung des Zustimmungserfordernisses nach § 116 Abs. 2 für außergewöhnliche Geschäfte und |
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Erlöschen der Geschäftsführungsbefugnis mit dem Erreichen eines bestimmten Lebensalters. |
Sieht der Gesellschaftsvertrag allerdings eine Gesamtgeschäftsführung oder eine Geschäftsführung durch jeweils mehrere Gesellschafter vor, so kann gem. § 116 Abs. 4 HGB jeder, der an der Geschäftsführung beteiligt ist, bei Gefahr im Verzug allein handeln. Davon ist die Notgeschäftsführung zur Erhaltung von Gegenständen des Gesellschaftsvermögens analog § 744 Abs. 2 BGB zu unterscheiden, die auch den von der Geschäftsführung ausgeschlossenen Gesellschaftern zusteht.
b) Informationsrechte
Rz. 512
Die Regelungen des § 105 Abs. 3 HGB i.V.m. § 717 Abs. 1 BGB n.F. sehen weitreichende Informationsrechte auch für die von der Geschäftsführung ausgeschlossenen Gesellschafter vor. Davon ist insb. die Einsicht in die Geschäftsbücher und in alle anderen Papiere umfasst, selbst wenn sie vertraulich sind. Im Gesellschaftsvertrag können diese Informationsrechte jeweils ausgestaltet oder auch ganz ausgeschlossen werden, wenn die Kontrollrechte auf ein Aufsichtsgremium oder einen Beirat übertragen werden. Ist zu befürchten, dass die geschäftsführenden Gesellschafter ihre Geschäfte unredlich führen, stehen dem einzelnen Gesellschafter auch bei einer beschränkenden Vereinbarung gem. § 105 Abs. 3 HGB n.F. wiederum Kontrollrechte zu.
Rz. 513
Die Gesamtheit der Gesellschafter hat ein Auskunftsrecht gegen die geschäftsführenden Gesellschafter aus den §§ 717BGB.
c) Geschäftsführungsbefugnis und Prokuraerteilung
Rz. 514
Gem. § 116 Abs. Abs. 2 Satz 1 HGB bedarf es unter dem Blickwinkel der Geschäftsführung zur Vornahme von Handlungen, die über den gewöhnlichen Betrieb des Handelsgewerbes der Gesellschaft hinausgehen, eines Beschlusses sämtlicher Gesellschafter. Zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb des Handelsgewerbes der konkreten OHG gehört das, was in einem Handelsgewerbe, wie es die Gesellschaft betreibt, normalerweise vorkommen kann. Das sind im Zweifel alle Geschäfte im Handelszweig, der den Gegenstand des Unternehmens bildet, z.B. auch eine übliche Kreditgewährung. Darunter fallen i.d.R. auch die Erteilung und der Widerruf einer Handlungsvollmacht. Für die Feststellung, ob eine Handlung nicht mehr unter diese Definition subsumiert werden kann, somit also ein ungewöhnliches Geschäft darstellt, müssen drei Kriterien betrachtet werden. Ungewöhnliche Geschäfte sind daher v.a. solche, die im Hinblick auf
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Art und Inhalt, |
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Zweck, |
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Umfang und Risiko |
einen Ausnahmecharakter aufweisen.
Hinweis
Zu beachten ist, dass der Kreis der unter § 116 Abs. 2 HGB fallenden Geschäfte vertraglich abänderbar ist (§ 108 HGB). Damit kann v.a. der individuellen Risikobereitschaft der Gesellschafter in der Gestaltung des Gesellschaftsvertrages entsprochen werden.
Rz. 515
Von den ungewöhnlichen Geschäften sind die Grundlagengeschäfte