Dr. Peter Stelmaszczyk, Stefan Wegerhoff
Rz. 569
Nach § 109 Abs. 3 HGB ergehen die von den Gesellschaftern zu fassenden Beschlüsse grds. einstimmig. Der Gesellschaftsvertrag kann abweichend davon Mehrheitsbeschlüsse vorsehen. Dabei wird die Mehrheitsbestimmung häufig nicht nach der Mehrheit der Köpfe, sondern nach Kapitalanteilen vorgenommen, wobei sich die beschriebenen Systeme für unterschiedliche Beschlussgegenstände im Gesellschaftsvertrag ergänzen können.
Enthält der Gesellschaftsvertrag keine Aussage über Grundlagengeschäfte, ordnet aber pauschal das Mehrheitsprinzip an, gilt dieses im Zweifel nur für laufende Angelegenheiten, für die Vornahme von Grundlagengeschäften bleibt es hingegen bei dem Erfordernis der Einstimmigkeit. Auch für Grundlagengeschäfte kann das Mehrheitsprinzip im Gesellschaftsvertrag angeordnet werden, dabei ist jedoch der Bestimmtheitsgrundsatz zu beachten, sodass jedem Gesellschafter jedenfalls durch Auslegung des Vertrages unzweifelhaft deutlich ist, auf welche Gebiete sich das Mehrheitsprinzip erstreckt. Grenzen des Mehrheitsprinzips ergeben sich aus §§ 134, 138 BGB. Der Mehrheitsbeschluss darf also keine sittenwidrige Abhängigkeit des einzelnen Gesellschafters von der Mehrheit begründen. Weiterhin sind Mehrheitsbeschlüsse unzulässig, die einen Eingriff in den Kernbereich der Gesellschafterposition darstellen würden. Sicherlich gehört zu diesem Kernbereich der Bestand des Gesellschaftsvertrages, darüber hinaus ist vieles streitig.
Rz. 570
Da keine Formerfordernisse bestehen und die OHG die Gesellschafterversammlung als Organ nicht kennt, können Beschlüsse auch durch schriftliche Abstimmung oder sonst ohne ein gleichzeitiges Zusammentreffen der Gesellschafter gefasst werden. Das Gesetz sieht (neben den möglichen Regelungen im Gesellschaftsvertrag) Beschlüsse für die folgenden Fälle vor:
▪ |
Vornahme ungewöhnlicher Geschäfte (§ 116 Abs. HGB); |
▪ |
einvernehmliche Auflösung der Gesellschaft (§ 131 Abs. 1 Nr. 2 HGB); |
▪ |
verschiedene Maßnahmen in und nach der Liquidation (§§ 146 Abs. 1, 147, 152, 157 Abs. 2 Satz 2 HGB); |
▪ |
Gesamtgeschäftsführung (§ 115 Abs. 2 HGB, Beschluss aller geschäftsführenden Gesellschafter); |
▪ |
Bestellung von Prokuristen (§ 116 Abs. 3 HGB, Beschluss aller geschäftsführenden Gesellschafter); |
▪ |
Beschluss über Geltendmachung der Ansprüche aus unzulässigem Wettbewerb (§ 113 Abs. 2 HGB, Beschluss aller Mitgesellschafter); |
▪ |
Verminderung des Kapitalanteils eines Gesellschafters (§ 122 Abs. 2 HGB, Beschluss aller Mitgesellschafter); |
▪ |
Klageerhebung zur Entziehung oder Ausschließung (§§ 117, 127, 140 HGB, Beschluss aller Mitgesellschafter); |
▪ |
Änderung des Gesellschaftsvertrages; |
▪ |
sonstige Grundlagengeschäfte. |
Rz. 571
Die Stimmabgabe im Rahmen eines Beschlusses ist eine Willenserklärung, die an alle anderen Gesellschafter gerichtet ist. Jedoch kann ein Gesellschafter zur Entgegennahme der an die anderen gerichteten Erklärungen bevollmächtigt werden. Auch bei der Stimmabgabe ist Stellvertretung möglich, sofern der Gesellschaftsvertrag dies vorsieht oder alle Gesellschafter einverstanden sind, damit nicht gegen den Willen der übrigen Gesellschafter Fremde in die Beschlussfassung einbezogen werden. Auch für das Stimmrecht gilt das Abspaltungsverbot, sodass seine Übertragung ohne die Mitgliedschaft unzulässig ist. Da niemand Richter in eigener Sache sein kann, sind Gesellschafter, gegen die sich ein Beschluss richten würde, von der Stimmabgabe ausgeschlossen. Bei der Stimmabgabe hat sich jeder Gesellschafter von seiner Treuepflicht ggü. der OHG leiten zu lassen. Verstößt er dagegen schuldhaft, müsste er als Schadensersatz seine Stimmabgabe rückgängig machen. Sie ist daher nicht zu berücksichtigen. Im Streitfall ist eine Leistungsklage gegen den Gesellschafter zu erheben, das Gericht wird seine Zustimmung ggf. gem. § 894 ZPO ersetzen.
Rz. 572
Die Mängel bei der Stimmabgabe sind nach den allgemeinen Regeln des Zivilrechts für die Mängel bei der Willenserklärung zu behandeln. Mängel des Beschlusses können sich aus einem Verstoß gegen das Gesetz (auch gegen die guten Sitten) oder den Gesellschaftsvertrag ergeben. Beschlussmängel sind gegen die anderen Gesellschafter durch eine Feststellungsklage gem. § 256 Abs. 1 ZPO geltend zu machen. Der Gesellschafter, der einen Mangel in der Beschlussfassung rügen will, muss unverzüglich Widerspruch erheben, damit ihn nicht der Vorwurf der Verwirkung trifft. Verstößt der Beschluss lediglich gegen eine Verfahrensvorschrift, kann auf ihre Einhaltung verzichtet werden, was jedenfalls dann anzunehmen ist, wenn trotz des bekannten Verfahrensverstoßes an der Abstimmung teilgenommen wird. Schließlich muss ein Mangel kausal für das Abstimmungsergebnis gewesen sein, damit er Berücksichtigung finden kann.