Rz. 95

Rückt der Vorerbe aufgrund einer Nachfolgeklausel in die Gesellschafterstellung eines persönlich haftenden Gesellschafters (einer Personengesellschaft) nach, steht ihm das Wahlrecht nach § 139 HGB zu.[181] Auch wenn die Vorerbschaft nur bis zum Eintritt des Nacherbfalles andauert und daher die Gesellschafterstellung des Vorerben nicht unbefristet ist, führt das Nachrücken in die Stellung des persönlich haftenden Gesellschafters dazu, dass auch der Vorerbe mit seinem gesamten Vermögen für etwaige Verbindlichkeiten der Gesellschaft haften müsste. Hieran ändern auch möglicherweise bestehende erbrechtliche Ausgleichsansprüche (insbesondere gegenüber dem Nacherben) im Ergebnis nichts. Vor diesem Hintergrund besteht kein Anlass, dem Vorerben das Wahlrecht nach § 139 HGB zu versagen. Aus denselben Gründen muss die Wahlrechtsausübung auch ohne Zustimmung des Nacherben möglich sein.[182]

 

Rz. 96

Die Ausübung des Wahlrechts nach § 139 HGB führt dazu, dass der Vorerbe entweder aus der Gesellschaft ausscheidet oder aber sich seine Gesellschafterstellung in diejenige eines Kommanditisten umwandelt. Beides führt dazu, dass sich das der Vor- und Nacherbschaft unterliegende Vermögen in seiner Gestalt verändert. Entweder tritt an die Stelle des ursprünglichen Gesellschaftsanteils ein Abfindungsanspruch bzw. die zur Auszahlung kommende Abfindung oder aus dem ursprünglichen, mit persönlicher Haftung belasteten, Gesellschaftsanteil wird ein Kommanditanteil. Im Nacherbfall kann jedenfalls nur der dann vorhandene Vermögensgegenstand auf den Nacherben übergehen. Im Falle der Kommanditbeteiligung ist weitere Voraussetzung für den Übergang, dass der Anteil überhaupt – entsprechend dem gesetzlichen Leitbild – vererblich ist. Ein Anspruch des Nacherben auf Rückumwandlung seines Kommanditanteils in eine persönliche haftende Beteiligung besteht nicht. Bleibt der Vorerbe allerdings persönlich haftender Gesellschafter, hat der Nacherbe nach dem Nacherbfall selbst das Wahlrecht nach § 139 HGB.[183]

 

Rz. 97

Vor diesen Hintergrund erscheint es sinnvoll, die Frage der Wahlrechtsausübung nach § 139 HGB testamentarisch zu regeln. Das kann in der Weise geschehen, dass der Erblasser klarstellt, dass er sich über das Bestehen des Wahlrechts im Klaren ist und die Entscheidung des Vorerben insoweit auch vom Nacherben zu akzeptieren sein soll (selbst dann, wenn im Falle des Ausscheidens nur eine unter dem Verkehrswert liegenden Abfindung realisiert werden kann; zur hiermit verbundenen Problematik des Schenkungsverbots vgl. unten Rdn 108 f.). Ebenso wäre es denkbar, dem Vorerben die Auflage zu machen, das Wahlrecht nach § 139 HGB nicht auszuüben, wobei sich die Frage stellt, durch welche Sanktionen diese Auflage abgesichert wird und inwieweit der Erblasser in der Lage ist, hierdurch eine ausreichende Motivation für den Vorerben aufzubauen. Im Zweifel muss durch eine geeignete Ersatzerbenregelung Vorsorge getroffen werden.

[181] Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Lorz, § 139 HGB Rn. 58.
[182] Ebenso Bonefeld/Wachter/Wachter, Der Fachanwalt für Erbrecht, § 24 Rn 62.
[183] Vgl. Nieder/Kössinger/W. Kössinger/Najdecki, § 20 Rn 41.

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